Fehlende Transparenz :
„Süddeutsche Zeitung“ gerät wegen Interessenkonflikt in die Kritik

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Die „Süddeutsche Zeitung“ ist in die Kritik geraten
Roman Keßler ist ein erfolgreicher Unternehmer in der Blockchain-Branche. Für die „Süddeutsche“ hat er dennoch ausführlich darüber berichtet. Das bleibt nicht folgenlos.

Wenn schon Bill Gates das Aufkommen der Kryptowährungen als technologische Tour de Force bezeichnet, liegt es nahe, dass die Komplexität des Phänomens einer Erklärung bedarf. Was Blockchains sind, und dass sie sich nicht an Fahrrädern wiederfinden, erklären nicht allzu viele Experten den Laien. Was läge bei einer solchen Sache näher, als einen Fachmann zu verpflichten? Das dachte sich womöglich auch die „Süddeutsche Zeitung“, als sie Roman Keßler zur Einordnung heranzog.

Der Autor berichtete in der „Süddeutschen“ exklusiv über die Studie W3NOW des Hamburger Vereins Hanseatic Blockchain Institute. In einem ausführlichen Artikel fasste er Ergebnisse der Studie zusammen, zitierte Krypto-Experten und schilderte Eindrücke von der US-Branchenkonferenz ETH Denver. Keßler zeigt sich in seinem Artikel im Hinblick auf die Technologie optimistisch – und ist als Unternehmer in der Blockchain-Branche erfolgreich.

Unabhängigkeit muss gewährleistet sein

Dass ein Unternehmer als Gastautor zur Erklärung einer komplexen Branche herangezogen wird, ist weder unüblich noch verwerflich. Die Verbindung von Wissen und praktischer Ausübung kann für den Leser erhellend sein, sofern das veröffentlichende Medium ausweist, um wen es sich hier handelt. Der Pressekodex des Deutschen Presserats legt fest, dass Journalisten und Verleger bei der Ausübung ihrer publizistischen Tätigkeit eine klare Trennung von anderen Funktionen, sei es in Regierungsbehörden oder Wirtschaftsunternehmen, wahren müssen. Werden mögliche Interessenkonflikte und Verflechtungen nicht dargelegt, kann das das Vertrauen der Leser in die Unabhängigkeit und Objektivität der Berichterstattung untergraben. Das hätte die „Süddeutsche Zeitung“ im Fall von Roman Keßler wohl besser berücksichtigt.

Sein Artikel sorgte nämlich für eine Kontroverse, ausgelöst durch das Magazin „Capital“. Aufgrund Keßlers Tätigkeit als „Krypto-Unternehmer“ und dessen Aufruf im vergangenen Jahr, an der W3NOW-Studie teilzunehmen, handele es sich um einen Interessenkonflikt, womöglich gar um eine Grenzüberschreitung, schrieb das Magazin.

Der Autor verteidigt sich

Ist das so? Auf Anfrage der F.A.Z. sagte Keßler, er sei kein „Kryptounternehmer, sondern solo-selbständiger Softwareentwickler“. Außerdem verwies er auf eine Stellungnahme, in der er sich zu den Vorwürfen äußert. Darin legt er klar, dass er während der ersten Finanzkrise bei einem US-Medium den Beruf des Redakteurs erlernt habe. In Frankfurt habe er ein Medienstudio betrieben, zu dessen Aufgaben bis 2021 auch PR gehörte. Bei den Vorwürfen von „Capital“ handele es sich um eine „Kampagne aus dem Hause der im Wettbewerb stehenden Verlagsgruppe Gruner + Jahr“.

Er habe rund 50 Personen zu dem Thema interviewt und dabei stets auf Transparenz hinsichtlich seiner Rolle geachtet, versicherte Keßler. Er wisse zwischen seiner journalistischen Tätigkeit und seinen unternehmerischen Interessen strikt zu trennen. Sämtliche redaktionellen Anforderungen sowie Verbandsrichtlinien habe er erfüllt. Außerdem kritisierte Keßler, dass er nicht rechtzeitig von Gruner + Jahr über den geplanten Veröffentlichungstermin informiert und nicht angemessen kontaktiert worden sei, um eine Stellungnahme abzugeben. Er kündigte rechtliche Schritte an.

„Süddeutsche“ bedauert Fehler

Am Mittwoch dann eine Wendung: Laut Keßlers aktualisierter Stellungnahme teilte ihm die „Süddeutsche“ mit, man habe seinen Text aus dem Angebot genommen. Er, fährt Keßler fort, habe seine Artikel in der Vergangenheit stets gekennzeichnet und er hätte es auch begrüßt, hätte die „Süddeutsche Zeitung“ seine Rolle und seinen Hintergrund ausgewiesen. Er selbst habe darauf keinen Einfluss gehabt.

Mittlerweile ist der Artikel nicht mehr abrufbar. Auf Anfrage der F.A.Z. teilte die „Süddeutsche Zeitung" am Mittwochnachmittag mit, was sie in ihrem Transparenzhinweis ausführt, der sich mittlerweile hinter dem Link findet, unter dem Keßlers Text ursprünglich erschienen war. Darin legt sie dar, dass der Autor als freier Journalist tätig sei, aber gleichzeitig auch die Firma Make Europe GmbH betreibe, die unter anderem Blockchain-Software programmiert. Der Autor habe zwar betont, dass es keinerlei Interessenkonflikte gegeben habe. Trotzdem sei die Veröffentlichung ein Fehler gewesen, den man bedauere, weshalb der Artikel nun depubliziert worden sei.