Weimarer Republik und Gewalt :
Der Helm mit dem Totenkopf lag schon bereit

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Soldaten gegen Zivilisten: Straßensperre der Brigade Ehrhardt während des Kapp-Putschs im März 1920
Eine Ausstellung in Berlin erzählt von der Welle der Gewalt gegen die Weimarer Republik. Sie zeigt, wie der Hass auf die junge Demokratie die politischen Extreme verband.

Das Hakenkreuz hatte seinen ersten großen Auftritt in der deutschen Geschichte in der Nacht zum 13. März 1920. Damals begann der Kapp-Lüttwitz-Putsch, mit dem ein Bündnis von Militärs und repu­blikfeindlichen Politikern die gewählte Regierung unter Reichskanzler Gustav Bauer und Reichspräsident Friedrich Ebert zu stürzen versuchte. Der ausführende Arm des Putsches war die Marine-Brigade Ehrhardt, ein im Vorjahr aufgestelltes Freikorps, das im April und Mai 1919 die Münchner Räterepublik gewaltsam niedergeschlagen hatte. Als die Freikorps-Soldaten in den frühen Morgenstunden durch Berlin marschierten, um das Regierungsviertel zu besetzen, trugen viele von ihnen als Zeichen ihrer völkischen Gesinnung ein aufgemaltes Hakenkreuz an ihrem Stahlhelm.

Einige Helme haben sich erhalten. Einer von ihnen liegt in einer Vitrine am Eingang der Ausstellung, mit der die Stiftung Topographie des Terrors an die frühen Krisenjahre der Weimarer Republik erinnert. Über dem Helm hängt ein Plakat der DDP von 1920, das „Bürgerkrieg oder Demokratie?“ zur Wahl stellt. Den Bürgerkrieg von rechts symbolisiert eine blaue Hand mit blutigem Schwert, den von links eine rote Hand mit einer Bombe. Die Demokratie von Weimar steht zwischen beiden. Sie hat kein Symbol, nur eine schwankende Realität in gelber Schrift auf schwarzen Grund.

Politischer Mord als Gründungsziel

Die Ausstellung, erarbeitet von Martin Sabrow, dem emeritierten Direktor des Leibniz-Zentrums für Zeithistorische Forschung (ZZF) in Potsdam, gemeinsam mit einem dreiköpfigen Kuratorenteam, hat keine politische Agenda. Aber sie entwirft ein Szenario, das aktueller nicht sein könnte: die deutsche Demokratie gegen ihre Feinde. Dabei konzentriert sie sich einerseits auf die Akteure, andererseits auf die Schauplätze der Kämpfe um den Bestand der Republik. In Hermann Ehrhardt, dem Kommandeur der gleichnamigen Brigade, treffen beide Stränge zusammen.

Nach dem Scheitern des Putsches, der binnen vier Tagen unter dem Druck eines Generalstreiks zusammenbrach, floh der entlassene Korvettenkapitän nach München, wo er die Untergrundorganisation „Consul“ ins Leben rief. Deren Gründungsziel war die Ermordung prominenter Politiker der Weimarer Republik. Im August 1921 erschossen zwei ihrer Mitglieder im Schwarzwald den ehemaligen Finanzminister Matthias Erzberger, im Juni 1922 fiel Außenminister Walther Rathenau in Berlin-Grunewald einem „Consul“-Attentat zum Opfer. Kurz zuvor war ein Blausäure-Anschlag auf Philipp Scheidemann, der am 9. November 1918 die Republik ausgerufen hatte, in Kassel gescheitert.

Selbstbefragung: Der Schriftsteller Ernst von Salomon und seine Schreibmaschine
Selbstbefragung: Der Schriftsteller Ernst von Salomon und seine SchreibmaschineStiftung Topographie des Terrors

Die organisatorische Basis dieses Terrors ist in einer weiteren Vitrine ausgebreitet. „Consul“ hatte sieben Oberbezirke, die mit Zahlen codierte Berichte an die Münchner Zentrale schickten. Die Ziffern bezogen sich auf die Seiten und Zeilen eines jüngst erschienenen Mini-Wörterbuchs, das jedes Mitglied in seiner Schublade hatte. Einer der „Consul“-Aktivisten und Mittäter beim Rathenau-Attentat war der Schriftsteller Ernst von Salomon, dessen stellwandhohes Foto den Besucher in einer Ecke der Ausstellung begrüßt. Im Oktober 1922 wurde Salomon wegen Beihilfe zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. Im „Dritten Reich“ hielt er Kontakt zu Widerstandskreisen und schrieb Drehbücher für die Ufa. Nach dem Krieg setzte er seine Karriere als Filmautor („08/15“) und Schriftsteller fort. Sein Lebensbericht „Der Fragebogen“ war der erste Bestseller der jungen Bundesrepublik. Die Schreibmaschine, auf der er ihn verfasste, steht in der Ausstellung vor seinem Porträt.

Mit dem Mord an Rathenau endete in der Reichshauptstadt die Welle der Gewalt, die um die Jahreswende 1918/19 mit dem Angriff von Regierungstruppen auf meuternde Matrosen im Berliner Schloss und dem kommunistischen Spar­ta­kus­auf­stand begonnen hatte. In den Industrieregionen und an der Peripherie des zum Teil von feindlichen Truppen besetzten Landes aber gingen die Kämpfe weiter. Mit Bildwänden, die um eine offene Mitte herum arrangiert sind, malt die Ausstellung ein suggestives Panorama des antidemokratischen Schreckens. Die Krisenherde zogen sich von Oberschlesien, wo Freikorps-Einheiten gegen polnische Separatisten vorgingen, über Sachsen und Thüringen, wo die Reichswehr im Oktober 1923 Umsturzpläne der KPD vereitelte, bis zur Münchner Feldherrnhalle, vor der drei Wochen später der Putschversuch von Hitlers NSDAP unter den Gewehrsalven der bayerischen Landespolizei zusammenbrach.

Die Freikorps und das Baltikum: Blick in die Berliner Ausstellung
Die Freikorps und das Baltikum: Blick in die Berliner AusstellungStiftung Topographie des Terrors

Aber die Republik überlebte oft nur knapp. Der Hass auf den jungen Staat, der sich den Reparationsforderungen der Alliierten hatte beugen müssen und zugleich die militärischen Kräfte der Reaktion zur Selbstverteidigung einsetzte, war allgemein. Nur die Zersplitterung der Rechten, die sich nicht auf eine Besetzung für die Rolle des Diktators einigen konnte, und die Revolutionsmüdigkeit der Arbeiterschaft verhinderten den frühen Untergang der ersten deutschen Demokratie.

Nach dem Ende der Hy­per­in­fla­tion von 1923, die noch einmal alle Furien des Extremismus und Separatismus entbunden hatte, kam die Weimarer Republik in ruhigeres Fahrwasser. Der Polizeischlagstock samt Knebelkette und Schutzhelm, der in Berlin gezeigt wird, steht für eine Zeit, in der sich die Autorität des Staates gegen ihre Feinde behaupten konnte. Nicht zufällig war es wieder eine Wirtschaftskrise, die ab 1929 das Ende von Weimar einläutete. Der Staat der Kriegsverlierer hatte auf Kredit gelebt: Mit seinen ökonomischen zerbrachen auch seine politischen Aussichten.

Ein besonderer Augenöffner der Ausstellung sind ihre Exponate zur zeitgenössischen Publizistik. Wie in den sozialen Medien unserer Tage waren Hassreden und -bilder in der damaligen Öffentlichkeit epidemisch. Wahlplakate der KPD kamen selten ohne antisemitische Karikaturen aus. Auf dem rechten Flügel des Spek­trums hetzte der Mon­ar­chist Karl Helf­fe­rich gegen jüdische Politiker („Erzberger muss weg!“). Seine Partei, die DNVP, warb für sich mit dem Bild eines U-Boots, das einen Torpedo auf den Dampfer „Bolschewismus“ abfeuert: „Wähler! Er muss treffen!“ Dreizehn Jahre später verhalf die DNVP Hitler zum Amt des Reichskanzlers.

Noch ein zweiter Stahlhelm wird in der Ausstellung gezeigt. Er stammt aus dem Kämpfen der Freikorps im Baltikum und zeigt einen aufgemalten Totenkopf. Die Designer der SS mussten ihn nur kopieren. Das Motiv lag bereit.

Gewalt gegen Weimar. Zerreißproben der frühen Republik 1918-1923. Dokumentationszentrum Topographie des Terrors, bis 1. September. Der Begleitband kostet 28 Euro.