Kinofilm „Evil does not exist“ :
Hütet euch vor Unternehmensberatern

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Hana (Ryo Nishikawa) lebt im Dorf Mizubiki in der Nähe von Tokio.
Wo Kiefernwipfel friedlich knacken: Ryûsuke Hamaguchi rechnet in seinem poetischem Kinofilm „Evil does not exist“ mit der Profitgier ab.

Mit der Natur im Einklang zu leben ist mühsam. Takumi weiß das. Jeden Tag holt er sich aus dem Wald, was er zum Überleben braucht, füllt Wasser aus einer klaren Quelle in Kanister, hackt Holz, erklärt seiner kleinen Tochter Wildspuren und die Besonderheiten der Bäume („Kiefern sind rot, Lärchen sind schwarz.“). So wie er lebt das ganze Dorf Mizubiki westlich von Tokio. Regisseur Ryûsuke Hamaguchi nimmt sich Zeit, diese Idylle auszuleuchten. Lange Kameraeinstellungen folgen Takumi beim Schleppen der Wasserkanister, beim Brennholzschichten, beim Pflücken von wildem Wasabi. Es sind stille, poetische Bilder von großer Kraft. Nur sparsam setzt Hamaguchi Musik ein. Wenn die Kamera durch Baumwipfel in den verschneiten Winterhimmel schaut, zupft disharmonischer Jazz an den Nerven und nimmt vorweg, dass dieses Paradies in Gefahr ist.

Die Bedrohung des friedlichen Lebens kommt aus Tokio, in Gestalt zweier Unternehmensberater. Im Gemeindezentrum versuchen sie den Anwohnern die Vorteile eines glamourösen Camping-Parks für überarbeitete Großstädter näherzubringen. Doch die Dorfbewohner sind wehrhaft und gut vorbereitet, sie hinterfragen die Werbesprüche und nehmen das PR-Team in den Details auseinander: Wie soll sichergestellt werden, dass die Abwässer nicht den Fluss verschmutzen, aus dem alle Gemeinden in diesem Gebiet ihr Trinkwasser beziehen? Warum ist der Abwassertank nicht für die maximale Anzahl der Campinggäste ausgelegt? Und wie stellt man sich das vor, die Großstädter nachts ohne Aufsicht Feuer machen zu lassen, in einem Waldstück, durch das viel Wind geht?

Hamaguchis „Drive my Car“ wurde vor zwei Jahren mit dem Oscar für den besten Internationalen Spielfilm ausgezeichnet, das war die Adaption einer Kurzgeschichte von Haruki Murakami. Was macht man als junger Regisseur nach einem solchen Erfolg? Hamaguchi hat sich dafür entschieden, eine neue Art von agitatorischem Antikapitalismus ins Kino zu bringen: „Evil does not exist“ ist ein stiller Film, nicht wütend inszeniert, sondern mit analytischer Schärfe.

So packt er die Probleme, die sich aus der Frage ergeben „Wie viel der letzten Reste Natur wollen wir dem Profit noch opfern?“, in eine Geschichte voller vielschichtiger Charaktere, deren Schicksale man nach und nach kennenlernt. Die Tokioter Berater wollen nämlich ein paar Tage bleiben, um die Gemeinde besser kennen zu lernen. Sie loben die Nudelsuppe des kleinen Restaurants, sie stöhnen beim Wasserschleppen, verletzen sich fast beim Holzhacken und genießen die Gastfreundschaft der Dorfbewohner. Und sie begreifen, was Natur ist. Einer der Berater überlegt gar, ob er nicht länger hier bleiben will, und verklärt dann das Leben im Dorf, ohne es zu begreifen, oder die Menschen, die es führen, ernst zu nehmen. In kleinsten Szenen zeigt sich, wer hier wen durchschaut. Takumi und seine Nachbarn lassen sich nicht einwickeln, bleiben höflich, aber skeptisch.

Kann es für den Konflikt eine Lösung geben? Hamaguchi hat darauf eine Antwort, die das, was sich nicht erzählen lässt, sondern nur ändern oder ertragen, nicht mit billiger Moral zudeckt, sondern mit den genauesten Kinomitteln kompromisslos freilegt.