Brief aus Istanbul :
Das Butterbrot der anderen

Von Bülent Mumay
Lesezeit: 5 Min.
Hier wird über Wohl und Wehe des Landes entschieden: der Palast des Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Ankara
Die armen Patrioten: In der Türkei leiden immer mehr Kinder unter Hunger. Auch die Wohnungsnot verschärft sich. Derweil arbeitet der türkische Präsident weiter unermüdlich am eigenen Machterhalt.

Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die die Türkei erlebt, betreffen alle Kreise der Gesellschaft. Besonders schmerzt, dass vor allem Familien der Unter- und Mittelschicht die Grundbedürfnisse ihrer Kinder nicht mehr stillen können. Für meine Arbeit lese ich etliche Meldungen über die zunehmende Armut im Land. Letzte Woche aber blieb mir bei einem Bericht jeder Bissen im Halse stecken. „Darf ich von deinem Butterbrot abbeißen?“ lautete die Schlagzeile von „Evrensel“, einer der letzten verbliebenen unabhängigen Zeitungen. Ein Grundschullehrer in einer Industriestadt im Osten berichtet von Kindern, deren Eltern ihnen kein Schulbrot mitgeben können. Manche bitten Schulkameraden, bei ihnen abbeißen zu dürfen, andere weinen im Unterricht vor Hunger. In einer anderen Zeitung stand, die Rate der Kinder mit Wachstumsstörungen wegen Mangelernährung liege bei zehn Prozent.

Ohne Abo weiterlesen
Dies ist kein Abo. Ihre Registrierung ist komplett kostenlos, ohne versteckte Kosten.
Oder 3 Monate für 1 € pro Monat Zugang zu allen FAZ+ Beiträgen erhalten und immer aktuell informiert bleiben.