Abgänge bei Bertelsmann :
Wovon Chefs träumen

Michael Hanfeld
Ein Kommentar von Michael Hanfeld
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Thomas Rabe, Vorstandsvorsitzender von Bertelsmann
Der Bertelsmannboss Thomas Rabe will „frei sein“, gute Bücher lesen und Bass spielen. Der frühere RTL-Chef Stephan Schäfer schreibt ein Buch über „25 letzte Sommer“. Was sagt uns ihre Romantik?

Er wolle „frei sein“, hat der Bertelsmann-Chef Thomas Rabe im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom vergangenen Wochenende gesagt. Frei, um „gute Bücher lesen“ zu können, in die Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts einzutauchen, an verschiedenen Orten zu leben, mit seiner Frau in der gemeinsamen Stiftung „alles, was wir verdient haben, im Lauf der Zeit der Gesellschaft zurückgeben“.

Vielleicht entstaubt er seine „alte Bassgitarre“, spielt in einer Band, verbessert sein Italienisch und Niederländisch und macht mehr Sport. Verwirklichen will Rabe seinen Traum vom einfachen Leben in drei Jahren. Dann tritt er als Vorstandschef von Bertelsmann ab. Vorausgesetzt, er wird nicht vorher abgelöst.

Na endlich!, ruft der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) aus. Für die Mitarbeiter von Bertelsmann sei Rabes Abgang eine „große Erleichterung“, meint der DJV-Bundesvorsitzende Mika Beuster. Jetzt sei es an der Zeit, nach einer „geeigneten Führungspersönlichkeit zu suchen, die ihre Erfüllung nicht in gnadenloser Kostenoptimierung findet“, es gelte, „das Ruder herumzureißen“, wolle „Bertelsmann je wieder publizistische Bedeutung erlangen“.

Er schaute immer nur auf die Zahlen

Das ist etwas übertrieben, denn publizistische Bedeutung wollte man RTL, Random House oder der Produktionsfirma Ufa, die allesamt zu Bertelsmann gehören, in toto wohl nicht absprechen. Der Tendenz nach aber liegt der DJV richtig. Rabe schaut gern auf Zahlen, den Verlag Gruner + Jahr hat er zerschlagen, und wer seine Kostenschrauberei nicht mitmacht, wird rasiert.

In den Augen all derer, die unter die Räder kamen, muss Rabes Schwärmerei für den neuen, mit der digital wieder aufbereiteten Stimme des verstorbenen Schauspielers Hans Clarin sprechenden „Pumuckl“ und die Idee, in einer Band den Bass zu spielen, sehr schräg erscheinen.

Just zur selben Zeit stimmt das Loblied vom guten Leben auch einer an, der auf Rabes Managerliste lange oben stand: Stephan Schäfer, Journalist, Zeitschriftenchef, dann im Vorstand von Gruner + Jahr, dann Ko-Vorstand von RTL Deutschland – das allerdings nur für ein Jahr, bis Bassist Rabe den Job (neben seinen anderen Bossstellen) selbst übernahm.

Karl, der Kartoffelbauer

Auch Schäfer hat den Traum vom guten, einfachen Leben vor Augen, beziehungsweise er hat ihn sich gerade von der Seele geschrieben. „25 letzte Sommer“ heißt sein Buch, das uns der Ullstein-Verlag als „warme, tiefe Erzählung, die uns in unserer Sehnsucht nach einem Leben in Gleichgewicht abholt“, ans Herz legt.

Der Ich-Erzähler, in dem wir unschwer Schäfer erkennen, trifft Karl, den Kartoffelbauern, und muss erkennen, dass ihn all sein Streben, seine Abrufbarkeit rund um die Uhr im Job, von dem abgelenkt hat, was das Leben ausmacht. Das liest sich locker weg, ein Vademecum für Hyperperformer, die aussteigen wollen – und es doch nicht tun. Erstaunlich, was den romantischen Lebenskünstlern bei Bertelsmann so einfällt. Hätten sie doch bloß schon mal früher so gedacht und gehandelt.