London verlängert Regelungen :
EU prüft rechtliche Schritte gegen Briten

Von Jochen Buchsteiner, London
Lesezeit: 2 Min.
Poster im Februar im nordirischen Larne gegen eine Grenze zwischen England und Nordirland
London verlängert eigenmächtig Sonderregeln im Handel mit Nordirland. Die EU ist erzürnt. Die Briten verletzten das Austrittsabkommen, heißt es aus Brüssel.

Die Ankündigung Londons, Ausnahmeregelungen für Nordirland ohne Rücksprache mit Brüssel zu verlängern, hat Verstimmung in der EU hervorgerufen. Der irische Außenminister Simon Coveney warf der britischen Regierung vor, sie würde die Implementierung des Brexit-Deals untergraben. „Die EU verhandelt mit einem Partner, dem sie einfach nicht trauen kann“, sagte er am Donnerstag. Dass nun rechtliche Schritte geprüft werden, hätte zur Folge, dass die EU künftig „sehr viel formalisierter und rigider“ mit London umgehen werde. Zuvor hatte schon der Vizepräsident der EU-Kommission, Maros Sefcovic, von einer „Verletzung des Austrittsabkommens“ gesprochen.

Der neuerdings für den Post-Brexit-Prozess zuständige Sonderminister David Frost hatte am Mittwochabend angekündigt, die sogenannte Gnadenfrist für bestimmte Regelungen unilateral um ein halbes Jahr zu verlängern; vereinbart war, dass die Frist Ende März ausläuft. Nach den Plänen Londons sollen nun erst ab 1. Oktober zusätzliche Kontrollen eingeführt werden. Unter anderem müssten dann Gesundheitszertifikate vorgewiesen werden, wenn bestimmte Nahrungsmittel von Großbritannien nach Nordirland geliefert werden.

Unionisten stellen Karfreitagsabkommen in Frage

Schon die großzügigeren, seit Januar geltenden Regeln hatten zu Lieferverzögerungen und -engpässen in Nordirland geführt. Es brauche eine „angemessene Zeit“, bis die Unternehmen die neuen Erfordernisse umzusetzen und einen effizienten Warenfluss gewährleisten könnten, hieß es in London. Frost sprach von „minimalen technischen Schritten“, die nötig seien, um „die konstruktiven Diskussionen im Gemeinsamen Komitee fortzuführen“. In dem Gremium, das die Probleme des Austrittsvertrags lösen soll, wurde London bislang von Kabinettsbürominister Michael Gove vertreten. Seit Frost die Verhandlungen führt, verschärft sich die Tonlage.

Die Hürden an der neuen Zollgrenze zwischen Großbritannien und Nordirland rufen vor allem unter Unionisten Unmut hervor. Wegen Sicherheitsbedenken ist ein Teil der Warenkontrollen suspendiert. Eine Gruppe, die für radikale Unionisten in Nordirland zu sprechen beansprucht, hat mittlerweile die Unterstützung des Karfreitagsabkommens ausgesetzt. In einem Brief an die Regierungschefs in London und Dublin erklärte das „Loyalists Community Council“, dass sich diese Haltung erst ändern werde, wenn Großbritannien und die EU den Austrittsvertrag veränderten und den „uneingeschränkten Zugang für Güter, Dienstleistungen und Bürger im ganzen Königreich“ herstellten. Der Protest solle aber „friedlich und demokratisch“ bleiben.

Viele erinnert die jüngste Maßnahme Londons an die Drohung aus dem Herbst, das Austrittsabkommen mit einem Handelsgesetz auszuhebeln. Brüssel leitete daraufhin rechtliche Schritte ein, bis der Konflikt in Verhandlungen beigelegt werden konnte. Im Januar war es dann die britische Seite, die sich erbost zeigte, nachdem die EU-Kommission kurzzeitig eine Grenzkontrolle für Impfstoffe zwischen Nordirland und Irland angekündigt hatte.