Bilderbuch von Jörg Mühle :
Dann würde das Kind eben einen Saustall machen

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Man kann auch auf eine Weise miteinander spielen, die das Spiel verdirbt.
Ausgerechnet, wenn es am schönsten ist, muss der Dachs leider gehen: In „Morgen bestimme ich!“, seinem neuen Bilderbuch mit Bär und Wiesel, zeigt Jörg Mühle, dass sich der Dritte nicht zwangsläufig freut, wenn zwei sich streiten.

Leben ein Wiesel und ein Bär zusammen im Wald: Halt, könnte jetzt jemand dazwischenrufen, die Geschichte kennt man schon, der Futterneid um die drei Pilze, die der eine mitgebracht und das andere gebraten hat, wurde wieder und wieder vorgelesen, so, wie auch der Streit in Jörg Mühles sechs Jahre altem Buch „Zwei für mich, einer für dich“ wie wieder und wieder ausgetragen wirkt. Doch unter den großen Eichen hat nicht nur die bereits bekannte Freiluftküche des Freundespaares Platz, sondern auch ein Kinderzimmer mit Etagenbett, Bücherregalen und Spielzeugkisten. Und die beiden streiten auch nicht nur ums Essen, sondern, so erzählt es das neue Bilderbuch „Morgen bestimme ich!“, auch beim Spielen. Oder ums Spielen. Oder um einen Spielkameraden.

Der Bär hat nämlich gerade den Dachs zu Besuch, als das Wiesel nach Hause kommt. Ohne aufzuschauen, fragt der Bär, ob das Wiesel ihnen nicht etwas zu essen machen könne, und er bekommt zur Antwort, er dürfe nicht einfach mit dem Dachs spielen, der sei schließlich des Wiesels Freund. Wieder eine klassische Kon­stel­lation, die sich aufs Schönste – oder aufs Schlimmste – auswachsen kann. Und sie wächst sich aus: Der Gast hat seine Idee, doch einfach zu dritt zu spielen, noch nicht ganz ausgesprochen, da überbieten sich die beiden in Vorschlägen, nein, Festlegungen, Forderungen, welches Spiel in welchen Rollen zu spielen sei. „Vater, Mutter und Kind“ durchschaut der Bär als Versuch, ihn in der Kinderrolle zu Bett zu schicken und aus dem Spiel zu nehmen. Prompt droht er mit Extremen im kindlichen Reaktionsspektrum und bekommt Bescheid: „Du spielst das falsch!“

Fußball, Memory, Winterschlaf, Verstecken: Die Vorschläge fallen in immer schnellerer Folge und mit ihnen die Vorwürfe, aus welchen Gründen sie jeweils gemacht würden. Bär und Wiesel regen sich immer weiter auf. Als der eine dem anderen an den Kopf geworfen hat, der wolle immer der Bestimmer sein, und zur Antwort bekam, mit ihm könne man einfach nicht spielen, als die beiden schmollend auf der Kinderzimmerlichtung stehen und in entgegengesetzte Richtungen schauen, hat der Dachs sein Feuerwehrauto längst zur Seite gelegt und nach seinem Schal gegriffen. Wie kann es nur sein, dass er nach Hause muss, „gerade jetzt, wo es am schönsten ist“?

Jörg Mühle: „Morgen bestimme ich!“. Moritz Verlag, Frankfurt 2024. 32 S., geb., 14,– €. Ab 4 J.
Jörg Mühle: „Morgen bestimme ich!“. Moritz Verlag, Frankfurt 2024. 32 S., geb., 14,– €. Ab 4 J.Moritz Verlag

Was man so „am schönsten“ nennt: Der Streit ist völlig aus dem Ruder gelaufen, die zurückhaltend, dabei ausdrucksstark gezeichneten Figuren haben sich in Hochmut, Gereiztheit und Wut nichts geschenkt – den kindlichen Lesern dafür umso mehr: Den Tieren lässt sich kein Geschlecht und kein Beziehungsverhältnis zuordnen, wer auf welchen Vorschlag mit einem Vorwurf antwortet, wird gleichfalls unübersichtlich – und damit ebenso universell wie mit dem eigenen Leben und Erleben vergleichbar.

Am Ende sind sich Bär und Wiesel unvermittelt einig: Morgen müsse der Dachs unbedingt wiederkommen. Ihr „Morgen bestimme ich“ kommt wie aus einer Kehle, dabei allerdings aus zwei Herzen, in denen Eifersucht und Geltungsdrang ihre Spuren hinterlassen haben. Und wie schon in der ersten Streitgeschichte von Wiesel und Bär ist es auch diesmal der Fuchs, der der Sache die letzte Wendung gibt.

Jörg Mühle: „Morgen bestimme ich!“. Moritz Verlag, Frankfurt 2024. 32 S., geb., 14,– €. Ab 4 J.