Kartellverfahren beginnt :
„Dieser Fall dreht sich um die Zukunft des Internets“

Von Roland Lindner, New York
Lesezeit: 3 Min.
Die Juristen des amerikanischen Justizministeriums um Kenneth Dintzer (Mitte) kommen am Gericht an.
In Washington beginnt ein Kartellprozess gegen den Internetgiganten. Das Verfahren gilt als der wichtigste Wettbewerbsfall seit 25 Jahren.

Kenneth Dintzer kam gleich zur Sache: „Dieser Fall dreht sich um die Zukunft des Internet,“ sagte er am Dienstag zu Beginn des Kartellprozesses gegen Google in Washington, um die Bedeutung des Moments zu unterstreichen. Dintzer steht dem Internetgiganten als Anwalt des US-Justizministeriums gegenüber, und er erhob in seinem Eröffnungsplädoyer schwere Vorwürfe gegen ihn: „Google hat sein Monopol missbraucht,“ sagte er, und dies verursache „enorme Kosten“. Es gehe nicht nur zu Lasten der Werbekunden, von denen Google höhere Preise verlangen könne, sondern schade auch Verbrauchern, unter anderem weil sich die Qualität von Googles Suchmaschine verschlechtere. Googles Monopol berühre „jedes Smartphone und jeden Computer im Land“.

Google-Anwalt John Schmidtlein konterte, das Unternehmen konkurriere mit fairen Methoden. Vielmehr versuche die Regierung mit ihrer Klage, den Wettbewerb zu „verzerren“ und Verbraucher zum Benutzen „minderwertiger Produkte“ zu zwingen. Dies käme einer „radikalen Marktintervention“ gleich.

„Es wird ein Kartellfall für die Geschichtsbücher“

Der Kartellprozess ist ein mit Spannung erwarteter Showdown zwischen der amerikanischen Regierung und Google. Er gilt als der wichtigsten Wettbewerbsstreit in den USA seit 25 Jahren, damals stand der Softwarekonzern Microsoft wegen Missbrauchs seiner Marktmacht vor Gericht. „Es wird ein Kartellfall für die Geschichtsbücher“, sagte Bill Baer, der unter dem früheren US-Präsidenten Barack Obama in der Wettbewerbsabteilung des Justizministeriums gearbeitet hat, im Vorfeld des Prozesses zur F.A.Z.

Der Google-Prozess geht auf eine Klage des Justizministeriums zurück, die 2020 eingereicht wurde. Dem Konzern wird darin vorgehalten, er habe seine Monopolstellung mit seiner namensgebenden Suchmaschine und damit verbundener Werbung mit unrechtmäßigen Mitteln aufrechterhalten. Klägeranwalt Dintzer sagte am Dienstag, Google tue dies seit mehr als einem Jahrzehnt. Neben der Klage des Justizministeriums werden in dem Prozess auch Klagen einer Gruppe von mehr als 30 Bundesstaaten verhandelt.

Das Justizministerium wirft Google vor, einen „Zyklus der Monopolisierung“ geschaffen zu haben. Mit seiner Suchmaschine habe der Konzern in den USA seit Jahren einen Marktanteil von fast 90 Prozent, und auch die damit verknüpfte Suchwerbung habe er monopolisiert. Die resultierenden „Monopolgewinne“ nutze er, um der Suchmaschine Vorzugsbehandlung gegenüber Wettbewerbern wie Microsofts Dienst Bing zu erkaufen. Er gebe Milliardenbeträge für Vereinbarungen mit Geräteherstellern wie Apple oder Samsung und Entwicklern von Internetbrowsern wie Mozilla aus, um seinen eigenen Suchdienst zur Standardeinstellung zu machen und Wettbewerber zu blockieren.

Google nennt die Klage „zutiefst fehlerhaft“. Der Konzern sagt, die Beliebtheit seiner Suchmaschine sei seinen Investitionen in die Technologie zu verdanken. „Die Leute benutzen Google nicht, weil sie das müssen, sondern weil sie das wollen.“ Die Vereinbarungen mit Partnern wie Apple beschreibt Google als völlig legitim, zudem seien sie nicht exklusiv, und Verbraucher könnten die Standardeinstellungen leicht ändern. Google spielt auch seine eigene Macht herunter und sagt, es gebe heute „mehr Wege denn je, um Informationen zu finden“. Dazu gehörten nicht nur andere Suchmaschinen wie Bing, sondern zum Beispiel auch Onlineplattformen wie Tiktok oder das Sprachmodell ChatGPT. Anwalt John Schmidtlein sagte am Dienstag, die Regierung versuche, Bing-Hersteller Microsoft als Opfer hinzustellen.

Gegen Google hat es auch in der Vergangenheit schon wettbewerbsrechtliche Ermittlungen in den USA gegeben. Untersuchungen der Aufsichtsbehörde FTC, neben dem Justizministerium der zweiten Kartellinstanz des Landes, liefen aber vor rund einem Jahrzehnt weitgehend ins Leere. Ungleich aggressiver gingen in den vergangenen Jahren die europäischen Kartellwächter vor, zwischen 2017 und 2019 verhängte die EU-Kommission drei Kartellstrafen gegen Google, die sich insgesamt auf mehr als acht Milliarden Euro addierten.

Nun spürt Google aber auch in seinem Heimatmarkt verstärkten Druck. Neben der Klage, die jetzt Gegenstand des Prozesses ist, hat das Justizministerium im Januar dieses Jahres noch eine weitere Kartellklage gegen den Konzern eingereicht, die sich um Technologien für Onlinewerbung dreht. Hier könnte es 2024 zu einem Prozess kommen.