Zukunftsforscherin auf SXSW :
„Die KI verändert die Geschichte der Menschheit“

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Die Leiterin des  Future Today Institute Amy Webb auf der South by Southwest
Die Künstliche Intelligenz löst drei Revolutionen gleichzeitig aus, sagt Zukunftsforscherin Amy Webb auf der Tech-Messe SXSW und warnt vor den Folgen. Autor Chris Dixon sieht den Schaden für eine Branche schon heute.

Amy Webb vom amerikanischen Future Today Institut sagt bei der Tech-Messe South by Southwest SXSW den nächsten „Technology Supercycle“ voraus. Wie bei der Erfindung der Eisenbahn, der Industriellen Revolution und dem Durchbruch für das Internets werde die Künstliche Intelligenz die „Geschichte der Menschheit“ verändern, sagte Webb, die auch als Professorin an der NYU Stern School of Business lehrt, im texanischen Austin. Ihr Trendbericht ist seit Jahren einer der vielbeachteten Höhepunkte der South by Southwest.

Sie beschreibt die Künstliche Intelligenz dabei wie ein Schwungrad, das auch weitere umfassende Veränderungen anstößt. Während Eisenbahn, Industrielle Revolution und Internet jeweils nur einen großen Bereich der Gesellschaft und Wirtschaft verändert habe, seien es nun drei Revolutionen gleichzeitig: Die Künstliche Intelligenz selbst, die Biotechnologie und das Internet der Dinge („Connected Ecosystems of Things“). „Die Welle der technologischen Innovationen, die wir erwarten, wird so mächtig und anhaltend sein, dass sie jeden Teil der Gesellschaft verändern wird“, sagte Webb. Der schnelle Fortschritt in der Biotechnologie und der Nutzen des Internets der Dinge wird dabei durch die Künstliche Intelligenz erst möglich.

Warnung vor Halluzinationen und Deepfakes

Webb warnt in ihrem Trendbericht auch vor den Schattenseiten, Rückschlägen und Fehlentwicklungen der Künstlichen Intelligenz. So kritisiert sie, dass Unternehmen wie Meta oder die französische Firma Mistral AI ihre Large Language Models (LLM) frei zugänglich veröffentlicht haben. Die Unternehmen erhoffen sich durch dieses Open-Source-Model eine schnellere Weiterentwicklung ihrer Sprachmodelle. Twitter war in seiner Anfangszeit beispielsweise auch offen für externe Entwickler, so dass viele Programmierer außerhalb des Unternehmens Anwendungen erstellen konnte, von denen Twitter selbst profitieren konnte.

Doch mächtige Sprachmodelle in den falschen Händen können auch großen Schaden anrichten. Deepfake-Pornos seien dabei noch ein eher harmloser Fall. „Was ist, wenn Deepfake-Videos oder -Berichte einen Krieg auslösen“, sagte Webb. Außerdem sei das Problem der Halluzination bei Sprachmodellen trotzt aller Weiterentwicklungen des letzten Jahres nicht gelöst. Ungeprüft dürfe man weiterhin keinem mit Künstlicher Intelligenz erstelltem Text oder Bild trauen.

Nach den Large Language Models sieht sie die Large Action Models (LAM) als nächste Entwicklung. Diese Modelle würden dann nicht mehr mit Texten aus dem Internet trainiert, sondern mit Daten von Bewegungssensoren, Kameras und Minicomputern, die bald in jedem Kühlschrank, jeder Uhr und jedem anderen elektronischen Geräten verbaut werden. „Während LLMs berechnen, was wir als nächstes denken, und daraus einen Text erstellen, berechnen die LAMs, was wir als nächstes tun werden“, betont Webb.

Als Beispiel für ein Gerät, das schon heute unzählige Daten sammelt, nennt Webb die Vision-Pro-Computerbrille von Apple. Vielleicht könnte ein solches Gerät in Zukunft Handlungen wie beispielsweise das Öffnen einer Website oder den Start einer Maschine einleiten, an die der Mensch noch gar nicht gedacht hat. Doch was passiert, wenn die Künstliche Intelligenz auch hier halluziniert.

Noch mehr Macht für Apple, Google und Microsoft

Auf einer anderen Veranstaltung in Austin warnte Tech-Investor und Autor Chris Dixon vor allem vor den heute schon durch Künstliche Intelligenz entstehenden Probleme. Weil die Kosten für die Entwicklung der LLM so groß seien, würden die ohnehin übermächtigen Konzerne wie etwa Microsoft oder Meta ihre Dominanz weiter verfestigen. „Dass bald vier oder fünf KI-Unternehmen die Macht über das Internet haben werden, ist für mich eine dystopische Vorstellung“, sagte Dixon.

Für viele Internet-Unternehmen werde die Künstliche Intelligenz den Untergang bedeuten, warnt er. Das Geschäftsmodell der meisten Websites sei auf Traffic angewiesen, doch wenn Google oder neue KI-Anwendungen die Suchergebnisse auf der eigenen Seite anzeigen und die Nutzer nicht mehr weiterleiten würden, gingen diese Websites zu Grunde. Große Anbieter wie die „New York Times“ könnten noch ein Geschäft mit KI-Firmen machen und Geld für die Inhalte verlangen mit denen die LLM trainiert werden, kleine Websites hätten keine Chance. „Wir müssen uns neue Geschäftsmodelle für Inhalteanbieter ausdenken“, mahnt er.