Kleines ABC der US-Wahlen

Von TATJANA HEID, OLIVER KÜHN und ANDREAS ROSS
Illustrationen: Johannes Thielen

Warum ist der Super Tuesday so wichtig? Wem nutzt das Early Voting? Und welche Rolle spielen die Medien bei der Feststellung des Wahlergebnisses? Wir erklären die wichtigsten Begriffe zur amerikanischen Präsidentschaftswahl.

Calling the race: Das Wahlergebnis ermitteln die Medien

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Die amerikanische Präsidentenwahl findet nach 51 verschiedenen Wahlgesetzen statt, welche die 50 Bundesstaaten und der Hauptstadtdistrikt Washington eigenständig festlegen. Eine nationale Wahlkommission, gar einen Bundeswahlleiter gibt es nicht. In den Landkreisen wird gezählt, die Ergebnisse werden an den jeweiligen Secretary of State gemeldet, der oft erst Wochen nach der Wahl ein Ergebnis in seinem Bundesstaat verkündet. Vor dem formal zuständigen Kongress, der am 6. Januar die Stimmen aus dem electoral college zusammenzählt (Certification), gibt es nur eine Instanz, die schon seit dem 19. Jahrhundert ein Gesamtergebnis verkündet: die Medien.

Wenn ein großer Sender einen Staat einem Präsidentschaftskandidaten zuspricht („We are calling state X for candidate Y“), dann sind seine Analysten zum Schluss gekommen, dass der andere Kandidat bei fortschreitender Auszählung keine Chance mehr hat, das Rennen zu gewinnen. Bis zur Präsidentenwahl von 2016 stützten sich praktisch alle großen Medien dabei auf die Nachwahlbefragungen des „National Election Pool“ (NEP). Inzwischen geht die Nachrichtenagentur AP eigene Wege, weil sie es in Zeiten von Briefwahl (Mail-In-Ballots) und Early Voting nicht mehr für zielführend hält, nur Wähler am Wahltag nach der Stimmabgabe zu befragen.

Wenn nach der Auszählung aller regulären Stimmen (ohne spät ankommende Briefwahlstimmen oder noch zu überprüfende Stimmzettel) das Ergebnis so knapp ist, dass eine Vorhersage unmöglich erscheint, so gilt das Rennen als „too close to call“. Ist es eng, aber die reguläre Auszählung läuft noch, dann heißt es „too early to call“ – zu früh für eine Festlegung.

­2020 hatte sich Fox News auf die AP-Daten gestützt; ausgerechnet der konservative Sender sprach Joe Biden deshalb deutlich früher den Sieg zu. Für die viele Tausenden Mitarbeiter, die für AP und NEP im November Daten zu Tausenden Wahlen erheben, ist es entscheidend, etwaige Veränderungen des Wahlrechts zu berücksichtigen und zum Beispiel zu wissen, ob spät ausgezählte Mail-In-Ballots überproportional einer der beiden Parteien zugutekommen. Für das Trump-Lager dient die Delegitimierung der traditionellen Medien auch dem Zweck, Zweifel an einem etwaigen unliebsamen Ergebnis zu säen, das diese verkündet haben.

Caucus: Versammlung beim Nachbarn

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Caucuses sind eine Art Nachbarschaftsversammlung, um einen Präsidentschaftskandidaten für die jeweilige Partei auszuwählen. Caucuses werden von den Parteien organisiert. Beim Caucus treffen sich die Wähler in Sporthallen, Bibliotheken oder auch beim Nachbarn im Wohnzimmer. Dann wird debattiert und abgestimmt. In manchen Bundesstaaten werden die Anhänger eines Kandidaten öffentlich gezählt, in anderen wird geheim gewählt.

Viele Jahre war die erste Vorwahl beider Parteien der Caucus in Iowa. Deshalb erfreut sich der Staat im Mittleren Westen auch alle vier Jahre der Aufmerksamkeit der gesamten Nation. Ein Kandidat kann in Iowa zwar nicht viele Delegierte gewinnen, aber ein starkes Ergebnis kann die Kampagne beflügeln. Der erste, dem das gelang, war Jimmy Carter. Der damals relativ unbekannte frühere Gouverneur von Georgia führte einen intensiven Wahlkampf in Iowa, gewann den Staat und nutzte das als Sprungbrett für seinen Weg ins Weiße Haus.

Der Iowa-Caucus – und auch der „First In The West“-Caucus in Nevada – liegen so früh, weil die Ergebnisse nicht direkt zur Vergabe der Delegiertenstimmen für die „National Convention“ führen. Vielmehr werden Delegierte gewählt, die zu einer Wahlversammlung auf Landkreisebene geschickt werden. Dort wiederum werden Delegierte für eine Bundesstaatsversammlung bestimmt und erst dort werden die Delegierten für die „National Convention“ bestimmt. Das nimmt Monate in Anspruch.

Die Demokraten haben dieses Jahr allerdings ihren Vorwahlkalender umgestellt. Die Republikaner hielten dagegen am frühen Iowa-Caucus fest, der im Januar stattfand. Donald Trump hat dabei deutlich seine Vormachtstellung zeigen können, während der zweite Platz von Ron DeSantis diesen bewog, seine Kandidatur aufzugeben. In den meisten Bundesstaaten finden allerdings Primaries statt, die auch von diesen organisiert werden.


Certification: Am 6. Januar zählt der Kongress die Stimmen zusammen

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Erst rund zwei Monate nach dem Wahltag am 5. November 2024 werden die Ergebnisse aus den Bundesstaaten offiziell zusammengezählt. Das findet im Kongress in Washington statt. So ist es im 12. Verfassungszusatz von 1804 und im „Electoral Count Act“ von 1887 festgelegt. Der späte Termin soll den Parteien Zeit lassen, etwaigen Streit über das Ergebnis in einem Bundesstaat vor der dortigen Justiz auszufechten; der US-Kongress soll nicht als Schiedsrichter fungieren. Außerdem war vor 130 Jahren schlicht viel Zeit nötig, um beurkundete Ergebnisse aus dem Westen des Landes mit Kutschen in die Hauptstadt zu transportieren.

Die Abgeordneten und Senatoren treffen sich in gemeinsamer Sitzung, die vom Vizepräsidenten in seiner Funktion als Präsident des Senats geleitet wird. Dort wird das Abstimmungsergebnis der Wahlleute eines jeden Staates im Electoral College verlesen. Wird es angefochten (was Abgeordnete und Senatoren zuletzt oft taten, um politisch zu punkten), müssen die beiden Kammern separat über den Einspruch verhandeln. Am Ende verkündet der Vizepräsident das zusammengezählte Ergebnis, ruft faktisch also den Sieger der Präsidentenwahl aus.

Nachdem Donald Trump die Präsidentenwahl 2020 verloren hatte, wollte er seinen Vizepräsidenten Mike Pence dazu bewegen, Ergebnisse aus einigen Staaten nicht gelten zu lassen und ihn statt Biden zum Sieger auszurufen. Hunderte Trump-Anhänger stürmten während der Zertifizierungssitzung gewaltsam den Kongress und unterbrachen diese. Kurz bevor die Demokraten 2023 die Mehrheit im Repräsentantenhaus einbüßten, setzte Biden deshalb eine Novelle des Gesetzes von 1887 in Kraft. Sie formuliert deutlich, dass der Vizepräsident eine „rein zeremonielle“ Rolle in der gemeinsamen Sitzung hat. Außerdem reicht es künftig nicht mehr, wenn ein Kongressmitglied Einspruch erhebt. Darüber abgestimmt wird nur noch, wenn je ein Fünftel der Abgeordneten und Senatoren die Auffassung vertreten, dass die Wahlleute eines Staates entweder nicht rechtmäßig zertifiziert worden seien oder sie ihre Stimmen nicht ordnungsgemäß abgegeben hätten.

Concession Speech: Der Verlierer setzt den Ton

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Nachdem die Medien verkündet haben, wer zum Präsidenten gewählt wurde (Calling the race), tritt traditionell der unterlegene Kandidat als erster auf und gibt seine Niederlage zu (zugeben heißt „to concede“, daher der Begriff). Die Tradition wird auf das Jahr 1896 zurückgeführt, als William Jennings Bryan zwei Tage nach der Wahl dem Sieger William McKinley per Telegramm gratulierte. 1928 wurde das Eingeständnis einer Niederlage erstmals im Radio übertragen, 1940 konnten manche Amerikaner im Kino sehen, wie sich Wendell Willkie artig Franklin D. Roosevelt geschlagen gab. Adlai Stevenson war 1952 der erste Verlierer, der live im Fernsehen dem Sieger gratulierte, nämlich Dwight Eisenhower.

Im 21. Jahrhundert ging es turbulenter zu. Im November 2000 gratulierte der Demokrat Al Gore nachts per Telefon dem Wahlsieger George W. Bush, nahm das Eingeständnis seiner Niederlage aber eine Stunde später zurück und focht das Ergebnis in Florida an. Erst Mitte Dezember sollte der Supreme Court das Rennen für den Republikaner Bush entscheiden. Ganz andere Schlagzeilen machte der republikanische Senator John McCain im Jahr 2008. Nicht nur gratulierte er Barack Obama zu dessen deutlichem Sieg, sondern er feierte den historischen Moment, dass erstmals ein Schwarzer ins Weiße Haus gewählt wurde. Acht Jahre später stand die Demokratin Hillary Clinton derart unter Schock nach dem für sie unerwarteten Sieg Donald Trumps, ­dass sie nicht mehr in der Wahlnacht, sondern erst am nächsten Tag ihre Niederlage öffentlich eingestand.

Donald Trump hat seine Niederlage im November 2020 bis heute nicht eingestanden. Sowohl sein Lager als auch das von Joe Biden rüsten sich auch diesmal mit Anwälten für eine lange juristische Schlacht um die Auszählung. Auf eine traditionelle „concession speech“, in der dem Sieger gratuliert und die Demokratie gefeiert wird, kann man sich auch in diesem Jahr nicht verlassen.

Convention: Die Krönungsmessen der Kandidaten

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Auf den Nominierungsparteitagen der Demokraten und Republikaner wählen die in den Primaries und Caucuses bestimmten Delegierten den Kandidaten, der für ihre Partei bei der Präsidentenwahl antreten soll. Da die Ergebnisse der Vorwahlen bekannt sind, werden die viertägigen Veranstaltungen in Sportarenen oder Kongresszentren meist als eine Art Dauerwerbesendung auf den Kandidaten zugeschnitten. Entscheidungen über Parteiprogramme oder andere Fragen fällen die Delegierten nicht.

Die 2429 Delegierten der Republikaner treffen sich vom 15. bis 18. Juli in Milwaukee im Swing State Wisconsin. Die allermeisten wurden von den jeweiligen Präsidentschaftskandidaten entsprechend der Vorwahl-Ergebnisse bestimmt und haben diese zu wählen. 104 Parteifunktionäre dürfen ebenfalls mit abstimmen. 1215 Stimmen reichen für die Nominierung.

Bei den Demokraten kommen vom 19. bis 22. August in Chicago 4532 Delegierte zusammen. Nur 3788 von ihnen sind „pledged delegates“, wurden also in den Vorwahlen bestimmt und sind an deren jeweiliges Ergebnis gebunden. Die 744 Parteifunktionäre, die als sogenannte Superdelegates teilnehmen, dürfen in der ersten Abstimmungsrunde keine Stimmen abgeben. Nur falls in Runde eins kein Kandidat die absolute Mehrheit von mindestens 1895 Stimmen erreicht, kämen sie zum Zuge. Das war 2016 noch anders und hat viele Anhänger des Sozialisten Bernie Sanders wütend gemacht, weil die Funktionäre fast vollzählig für Hillary Clinton stimmten.

Alle Wahljahre wieder gibt es Geraune, dass eine „brokered convention“ bevorstehen könnte: dass am Ende also doch nicht das Votum aus den Vorwahlen den Ausschlag gibt, sondern einflussreiche Strippenzieher – die „Broker“ – durch Deals mit den Delegierten die Nominierung eines anderen Kandidaten durchsetzen. In Wirklichkeit ist das seit mehr als 70 Jahren nicht vorgekommen. Wenn sich im Sommer allerdings plötzlich der 81 Jahre alte Joe Biden oder der dann 78 Jahre alte Donald Trump nicht mehr in der Lage sähen, im November anzutreten – dann schlüge wohl tatsächlich die Stunde der „Broker“.

Early Voting: Vor allem den Demokraten nutzt die frühe Stimmabgabe

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Beim Early Voting können Stimmen früher als am eigentlichen Wahltag abgegeben werden, etwa durch Briefwahl (Mail-In-Ballots) oder in bestimmten Wahllokalen, die in manchen Bundesstaaten schon viele Wochen vor dem 5. November geöffnet sein werden. Da der Wahltag in den USA stets auf einen Dienstag fällt, ist die Möglichkeit insbesondere für die unteren Einkommensschichten – darunter für viele schwarze Wähler – wichtig: Nicht alle können ihren Arbeitsplatz problemlos verlassen, um ihre Stimme abzugeben.

Seit zwanzig Jahren steigt das Interesse am Early Voting. Vor vier Jahren stimmten aufgrund der Coronapandemie so viele Menschen wie noch nie vor dem eigentlichen Wahltag ab: Fast 70 Prozent der Stimmen entfielen auf Briefwahl oder wurden im Wahllokal vorab abgegeben. Sie verschafften Joe Biden einen frühen Vorsprung vor Donald Trump. Zwar sagen die früh abgegebenen Stimmen alleine nichts über den Ausgang einer Wahl aus. Doch 2020 bedeutete es einen strategischen Vorteil für die Demokraten. Im Kampagnen-Endspurt konnten sie zielgerichteter vorgehen und sich auf jene Wähler konzentrieren, die ihre Stimme noch nicht abgegeben hatten.

Die traditionelle Klientel der Republikaner besteht zu einem Gutteil aus treuen Wählern im ländlichen Amerika, für die es selbstverständlich ist, am Wahltag ihre Stimme abgeben. Die Demokraten dagegen müssen mehr tun, um ihre urbanen Wähler an die Urnen zu bewegen – oft buchstäblich, indem sie Transporte organisieren. Gerade in afroamerikanisch dominierten Stadtvierteln werden solche Fahrten oft sonntags nach dem Kirchgang organisiert. Solche Aktivitäten zur Mobilisierung fallen unter GOTV: „Get Out The Vote.“

Weil die frühe Stimmabgabe deshalb den Demokraten überdurchschnittlich nutzt, gab es immer wieder Versuche republikanisch dominierter Bundesstaaten, die Möglichkeit einzuschränken – etwa indem die Zeiträume, in denen sie möglich ist, verkürzt oder Wahllokale geschlossen wurden. Mit einer Wahlrechtsreform wollte Biden unter anderem die Bestimmungen für die frühe Stammabgabe vereinheitlichen und weniger anfällig für Manipulationen machen. Das Gesetz scheiterte jedoch an der fehlenden Zustimmung der Republikaner.

Electoral College: Der Präsident wird nicht direkt gewählt

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Amerikaner wählen zwar Gouverneure, Kongressabgeordnete und sogar Sherriffs direkt – nicht aber ihren Präsidenten. Stattdessen wählen sie am Wahltag auf Ebene der Bundesstaaten sogenannte electors (also Wahlmänner und -frauen), die stellvertretend für sie den Präsidenten wählen. Es sind ihre Stimmen, die sogenannten electoral votes, die am Ende entscheiden, wer Präsident wird. Jeder Kandidat bestimmt seine eigene Gruppe von Wahlleuten in jedem Staat.

Im Dezember nach der Wahl kommen sie in den Hauptstädten ihrer Bundesstaaten zum electoral college zusammen und wählen Präsident und Vizepräsident in zwei getrennten Abstimmungen. Die Wahlleute stimmen dabei geschlossen für den Kandidaten, der in ihrem Bundesstaat die Mehrheit der Stimmen geholt hat (Winner Takes All). Nur in Maine und Nebraska können die Stimmen zwischen den Kandidaten aufgeteilt werden.

In der amerikanischen Geschichte ist es immer wieder vorgekommen, dass Wahlleute gegen den Willen der Wähler abgestimmt haben. Sie werden „faithless“ genannt: treulose Wahlleute. Vor acht Jahren, als Donald Trump die Mehrheit der electoral votes holte, stimmten insgesamt sieben Wahlleute gegen den von ihrer Partei aufgestellten Kandidaten, beispielsweise für Bernie Sanders oder Colin Powell statt Hillary Clinton. Eine Wahl konnte so jedoch noch nie entschieden werden, zumal electors engen gesetzlichen Bestimmungen unterliegen und in manchen Staaten eine Wahl gegen den Wählerwillen unter Strafe steht.

Derzeit entsenden die 50 Bundesstaaten und der District of Columbia 538 Wahlleute in das Electoral College; 270 braucht ein Kandidat, um Präsident zu werden. Wie viele Wahlleute ein Bundesstaat stellt, hängt von der Einwohnerzahl ab, wobei kein Staat weniger als drei Wahlleute stellt. Das gibt den Staaten mit der geringsten Bevölkerung überproportionales Gewicht. Allein aus Kalifornien (knapp 40 Millionen Einwohner) kommen 54 Wahlleute. Dagegen stellt der flächenmäßig größte, doch dünn besiedelte Bundesstaat Alaska (gut 700.000 Einwohner) drei – genauso viele wie etwa der Hauptstadtdistrikt Washington.

Zuletzt kam es 2016 vor, dass ein Kandidat, der deutlich weniger Stimmen erhalten hatte (Donald Trump), eine klare Mehrheit im Electoral College erhielt. Deshalb ist das Wahlleute-System vor allem unter Demokraten heftig umstritten.

Gerrymandering: Wie sich Parteien ihre Wähler aussuchen

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Eine der am erbittertsten ausgetragenen Wahlrechts-Kontroversen in den USA handelt vom regelmäßigen Neuzuschnitt der Wahlkreise. Das betrifft weder die Präsidenten- noch die Senatswahlen, für die nur die Grenzen der Bundesstaaten maßgeblich sind. Es hat aber enormen Einfluss auf die Zusammensetzung des Repräsentantenhauses. Alle zehn Jahre müssen die 435 Kongressbezirke der Vereinigten Staaten nach dem Zensus neu zugeschnitten werden, damit jeder Abgeordnete ungefähr gleich viele Bürger vertritt.

Schon seit dem frühen 19. Jahrhundert ist das in den allermeisten Bundesstaaten ein offen parteiisch betriebenes Unterfangen: Die im jeweiligen Staat das Parlament dominierende Partei versucht, ihrer Partei auf ein Jahrzehnt hinaus möglichst viele Wahlkreise zu sichern. 1812 hatte Elbridge Gerry, Gouverneur von Massachusetts, ein solches Gesetz unterzeichnet, das geographisch kurios anmutende Wahlkreise festlegte. Einer hatte etwa die Form eines Salamanders. Seitdem spricht man vom „Gerrymandering“.

Aus heutiger Sicht erscheint der „Salamander“ nurmehr possierlich, denn Computer und die enormen Datensammlungen der Parteien ermöglichen noch viel komplexere Formen. Bisweilen werden einzelne Häuser einer Straße einem Nachbarwahlkreis zugeschlagen, um die Siegchancen der eigenen Partei zu zementieren. Dieses Jahr gelten nur 25 bis maximal 70 der 435 Wahlkreise als „offen“. In mindestens 84 Prozent der Wahlkreise steht auch dank Gerrymandering dagegen faktisch fest, welcher Partei der künftige Kongressabgeordnete angehört.

Das funktioniert, weil auch bei Kongresswahlen das Prinzip „Winner takes all“ gilt: Eine Partei hat keinen Vorteil davon, in einem Wahlkreis mit 90 statt mit 50,1 Prozent zu gewinnen. Also ist es gut, möglichst viele Wähler der gegnerischen Partei in möglichst wenige Wahlkreise zu packen, das nennt man „Packing“. Noch attraktiver ist für Republikaner das „Cracking“: eine Demokratenhochburg wird aufgebrochen. Wenn etwa eine Großstadt wie eine Torte aufgeteilt wird, dann ist in jedem „Tortenstück“ genug konservatives Umland enthalten, um den urbanen Demokratenkern zu neutralisieren – und die Demokraten haben keine Chance mehr auf ein Mandat.

Ethnische Gesichtspunkte spielen dabei eine große Rolle. Das Oberste Gericht lässt dies zu, weil man eine diskriminierende, gegen Afroamerikaner gerichtete Grenzziehung nicht von einem legitimen, gegen Demokraten gerichteten Zuschnitt unterscheiden könne. In einigen demokratisch dominierten Staaten wurde der Wahlkreis-Zuschnitt inzwischen in unabhängige Gremien verlagert, aber da sich die Republikaner solchen Reformen versperren, warnen Linke inzwischen vor einseitiger Abrüstung.

Inauguration: Am 20. Januar wird der Präsident vereidigt

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2017 behauptete der frisch ins Amt eingeführte Präsident Donald Trump, seiner Inauguration, also der Amtseinführung des Präsidenten der Vereinigten Staaten, hätten mehr Menschen zugeschaut als je zuvor. Das stimmte nicht. Aber wie alle vier Jahre am 20. Januar, hatten sich tausende Menschen in der amerikanischen Hauptstadt versammelt, um die Zeremonie zu verfolgen.

Seit dem ersten Präsidenten der Vereinigten Staaten, George Washington, wurde jeder Präsident feierlich in sein Amt eingeführt. Bis 1933 fand das – mit einigen Ausnahmen – am 4. März statt. Seit 1937 ist der feste Termin der 20. Januar – zwischen 73 und 79 Tage nach der Wahl und zwei Wochen nach der Zertifizierung (Certification) des Ergebnisses – es sei denn, dieser ist ein Sonntag. Dann wird der Präsident in einer kleinen Zeremonie eingeschworen und das große Fest findet am folgenden Montag statt. Ort der Amtseinführung ist seit 1981 die Ostseite des Kapitols, davor war es rund 150 Jahre lang die Westseite.

Organisiert wird die Zeremonie von einem vom gewählten Präsidenten eingesetzten Komitee, welches das Programm festlegt und die Karten vergibt. Kurz vor Mittag leistet dabei der Vizepräsident seinen Amtseid, gefolgt vom Präsidenten. Abgenommen wird der Eid vom Vorsitzenden Richter des Obersten Gerichtshofs. Um 12 Uhr beginnt dann die Amtszeit des neuen Präsidenten.

Eingeladen werden traditionell Senatoren und Kongressabgeordnete, ranghohe Militärangehörige, die Richter des Obersten Gerichtshofs sowie die ehemaligen Präsidenten und Vizepräsidenten. In der neueren Geschichte der USA ist es denn auch Usus, dass der scheidende Präsident an der Amtseinführung seines Nachfolgers teilnimmt. 1921 konnte Woodrow Wilson aufgrund seiner angegriffenen Gesundheit der Zeremonie nur von innerhalb des Kapitols folgen, davor war es 1869 Andrew Johnson, der eine letzte Kabinettssitzung abhielt, anstatt seinem Nachfolger seine Aufwartung zu machen. Gebrochen mit der Tradition der demonstrativ friedlichen Machtübergabe hat dann Donald Trump. Er flog 2021 lieber nach Florida als zum Kapitol zu kommen.

Mail-In-Ballots: Die umkämpfte Abstimmung per Brief

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In Deutschland ist die Abstimmung per Brief schon lange eine Selbstverständlichkeit. In den Vereinigten Staaten jedoch ist das Thema parteipolitisch umkämpft. Republikaner sind davon überzeugt, dass die Briefwahl unsicher sei und zu Wahlbetrug einlade. Dafür gibt es jedoch keine Beweise. Demokraten sehen die Briefwahl hingegen als Möglichkeit, die Wahlbeteiligung zu erhöhen, da es bequemer ist, zu Hause zu wählen, als an einem bestimmten Tag ins Wahllokal gehen zu müssen.

Die Regeln für die Briefwahl sind in den Bundesstaaten unterschiedlich. Einige Staaten schicken automatisch allen Wählern Briefwahlzettel zu, andere verlangen einen begründeten Antrag. Auch der Termin, wann der Brief im Wahllokal ankommen muss, ist unterschiedlich. In einigen Staaten muss er am Wahltag dort sein, andere Staaten akzeptieren ihn auch noch Tage danach, solange er am oder vor dem Wahltag abgestempelt wurde.

Normalerweise spielen die Briefwahlzettel kaum eine Rolle, doch während der Präsidentenwahl 2020 entfachten sie eine große Diskussion. Aufgrund der Pandemie weiteten viele Staaten die Möglichkeit der Briefwahl aus. Der damalige Präsident Donald Trump polemisierte dagegen und behauptete, dies würde zu Wahlbetrug führen.

Das Problem mit Briefwahlstimmen ist, dass sie in den meisten Bundesstaaten erst ausgezählt werden, wenn die Stimmen aus den Wahllokalen bearbeitet wurden. Das kann sich über Tage hinziehen. Amerikanische Wähler waren es jedoch gewohnt, dass das Wahlergebnis am Abend feststand oder sich mindestens nicht mehr stark veränderte. Mit der Masse an Briefwahlstimmen vor vier Jahren – mehr als 40 Prozent der Stimmen gingen per Brief ein – war das jedoch nicht möglich.

Schon vor der Wahl wiesen Fachleute auf ein Phänomen namens Blue Shift oder Red Mirage hin. Dies bedeutet, dass am Wahlabend Bundesstaaten im republikanischen Rot eingefärbt sein würden, weil deren Anhänger in größerer Zahl als jene der Demokraten in die Wahllokale gingen. Je mehr Briefwahlstimmen jedoch ausgezählt würden, desto mehr werde der Vorsprung der Republikaner schmelzen und letztendlich zu einem Sieg der Demokraten führen. Das war dann auch der Fall in Swing States wie Michigan, Wisconsin und Pennsylvania. So erklärte sich Trump denn auch am Wahlabend zum Sieger und erkannte seine Niederlage nicht an. Erst vier Tage nach der Wahl wurde Joe Biden zum Sieger erklärt (Calling The Race).

In den folgenden Jahren haben Trump-Anhänger und Verschwörungstheoretiker immer wieder behauptet, die Briefwahl sei nicht sicher. In einigen republikanisch regierten Bundesstaaten gab es Gesetzesverschärfungen, die die Briefwahl erschweren.

October Surprise: Eine Überraschung kurz vor der Wahl

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Am 28. Oktober 2016 schickte der damalige FBI-Direktor James Comey einen Brief an die Kongressabgeordneten in Washington. Darin kündigte er an, dass seine Behörde neue E-Mails untersuche, die im Zusammenhang mit der Nutzung eines privaten Mail-Servers durch die damalige demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton während ihrer Zeit als amerikanische Außenministerin standen. Letztendlich ergab sich aus diesen Untersuchungen nichts, doch die Ankündigung nur Tage vor der Präsidentenwahl wurde von Clinton später als einer der Gründe angeführt, warum sie gegen Donald Trump verloren hatte.

Diese Begebenheit aus dem Jahr 2016 ist ein typisches Beispiel für eine October Surprise – eine Überraschung im Oktober. Gemeinhin werden darunter politische Entwicklungen oder Enthüllungen bezeichnet, die sich kurz vor einer Wahl im November ereignen. Solche Entwicklungen haben die Wähler einerseits dann noch frisch in Erinnerung, wenn sie ihre Wahlentscheidung treffen. Andererseits haben die Kandidaten, zu deren Nachteil diese Überraschung ausfällt, nur sehr wenig Zeit, darauf zu reagieren und den schlechten Eindruck bei den Wählern wett zu machen.

Auch wenn es vorher schon solche Überraschungen im Oktober gegeben hatte, entstand der Begriff bei der Wahl 1980. Der Wahlkampfmanager des republikanischen Kandidaten Ronald Reagan, William Casey, machte Befürchtungen öffentlich, der demokratische Präsident Jimmy Carter könne ein Ereignis kurz vor der Wahl inszenieren, um diese zu gewinnen. Insbesondere ging es damals um die Verhandlungen mit Iran, amerikanische Geiseln freizubekommen. Die Überraschung blieb zwar aus, doch der Begriff blieb.

So wurden in den folgenden Jahrzehnten Entwicklungen vor der Wahl oft zur October Surprise erklärt, selbst, wenn es sich um Naturkatastrophen handelte. So verwüstete im Oktober 2012 der Hurrikan Sandy Teile der Ostküste der Vereinigten Staaten, zahlreiche Menschen kamen ums Leben. Präsident Barack Obama konnte sich erfolgreich als zupackender Krisenmanager inszenieren. Sein Herausforderer Mitt Romney hatte das Nachsehen.

Primary: Die herkömmliche Vorwahl

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Primary bezeichnet einerseits den gesamten Prozess der Auswahl eines Kandidaten einer bestimmten Partei vor einer Wahl. Eine Primary ist aber auch eine der beiden Möglichkeiten, eine Vorwahl zu organisieren. Im Gegensatz zum Caucus handelt es sich hierbei allerdings um eine normale Wahl. Das heißt, die Wähler gehen an einem bestimmten Tag in ein Wahllokal und geben ihre Stimme ab. Derzeit werden in den meisten Bundestaaten die Kandidaten durch Primaries bestimmt, weniger durch Caucuses. Von Bundestaat zu Bundesstaat gibt es jedoch auch hier Unterschiede. So gibt es Primaries, an denen nur die Wähler der jeweiligen Partei (Voter Registration) teilnehmen dürfen (Closed Primary) und solche, die offen sind (Open Primary). Bei denen können entweder nur Unabhängige oder auch Wähler anderer Parteien ihre Stimme abgeben.

Gegner von offenen Primaries argumentieren, diese seien leicht manipulierbar. So könnten beispielsweise Unabhängige dafür sorgen, dass ein Kandidat gewählt werde, der nicht die Werte der eigentlichen Partei vertritt. Es sei aber auch vorstellbar, dass Wähler der gegnerischen Partei versuchten, jenem Kandidaten eine Mehrheit zu verschaffen, gegen den ihr Kandidat sich in der eigentlichen Wahl die besseren Siegchancen ausrechnet.

Aktuell hätten also Demokraten versucht sein können, Donald Trump zur republikanischen Kandidatur zu verhelfen, weil einerseits bei den Demokraten der amtierende Präsident Joe Biden als Kandidat mangels echter Herausforderer quasi feststand und dieser andererseits sich den polarisierenden Trump als Gegner wünschte. Aufgrund der Überlegenheit Trumps im republikanischen Bewerberfeld wäre das allerdings nicht nötig gewesen.

Running Mate: Das Team gewinnt

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Jeder Präsidentschaftskandidat ernennt schon vor seiner Wahl eine Person zum künftigen Vizepräsidenten: der (oder die) running mate. Sie ziehen gemeinsam in den Wahlkampf. Der running mate ist in der Regel so gewählt, dass er den Präsidentschaftskandidaten ergänzt und dessen Schwächen ausgleicht.

Mike Pence etwa wurde 2016 unter anderem deswegen Trumps running mate, weil der streng gläubige Familienvater dem in diversen Sexskandalen verwickelten ehemaligen Entertainer Seriosität verlieh. Pence sprach evangelikale Wähler, das Parteiestablishment und Großspender an. Kamala Harris erfüllte 2020 für Biden gleich drei wichtige Attribute: Sie ist mehr als zwanzig Jahre jünger als er, eine Frau und schwarz.

Der running mate wird üblicherweise kurz vor den Conventions im Sommer bekannt gegeben. Im Fall Biden ist das allerdings längst geschehen: Er verkündete im April 2023, dass er abermals mit Harris in den Wahlkampf ziehen wolle. Harris kann ein Lied davon singen, dass Vizepräsidenten einen schweren Stand haben. Sie sind ziemlich machtlos – solange das Herz des Präsidenten schlägt.

Secretary Of State: Der oberste Wahlbeamte

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In fast allen Bundesstaaten gibt es das Amt des Secretary of State. Der Inhaber dieses Amtes ist protokollarisch oft die drittwichtigste Person eines Bundesstaats nach dem Gouverneur und dem Vizegouverneur. In manchen Staaten wird der Secretary of State direkt gewählt. In anderen wird er vom Gouverneur ernannt, und zum Beispiel in New Hampshire wird er vom Parlament gewählt. Seine Aufgaben unterscheiden sich stark von denen des Secretary of State auf Bundesebene, denn das ist der Außenminister der Vereinigten Staaten. Zwar haben einige Secretaries of State der Bundesstaaten auch die Aufgabe, die Zusammenarbeit mit dem Ausland zu organisieren, doch ist eher Nebensache.

Auch wenn sich die Zuständigkeiten der Secretaries of State von Staat zu Staat unterscheiden, so ist ihre wichtigste Aufgabe doch die Organisation von und Aufsicht über Wahlen, also auch der Präsidentenwahl im November. In vielen Staaten sind sie außerdem dafür verantwortlich, das Ergebnis der Auszählung zu zertifizieren und zu verkünden, oft erst Tage oder Wochen nachdem die Medien schon einen Sieger für den betreffenden Bundesstaat verkündet haben (Calling The Race, Mail-In-Ballot).

Normalerweise erlangen Secretaries of State keine bundesweite Bekanntheit. Ausnahmen gab es in der jüngeren Vergangenheit jedoch in Verbindung mit Präsidentenwahlen. 2000 trat etwa Katherine Harris aus Florida in Erscheinung, weil sie eine Neuauszählung wegen des knappen Ergebnisses zwischen dem Republikaner George W. Bush und dem Demokraten Al Gore stoppte. Diese Entscheidung wurde vom Obersten Gerichtshof aufrechterhalten und führte mutmaßlich zum Wahlsieg von George W. Bush.

Im Jahr 2020 wiederum geriet Brad Raffensperger aus Georgia ins Licht der Öffentlichkeit. Der damalige Präsident Donald Trump rief ihn nach der Wahl an, weil er wegen der Briefwahlstimmen seinen anfänglichen Vorsprung vor Joe Biden eingebüßt und den Staat verloren hatte. Trump forderte seinen Parteifreund Raffensperger auf, 11.780 Wählerstimmen zu „finden“, damit die Wahlmännerstimmen Georgias ihm zufallen würden. Raffensperger widersetzte sich dem Ansinnen des Präsidenten und verteidigte die Ergebnisse als korrekt und den Wahlhergang in Georgia als nicht manipuliert. Der Mitschnitt dieses Telefonats ist das Hauptbeweisstück in einem Prozess gegen Trump in Georgia wegen versuchter Wahlbeeinflussung.

SuperPACS und Dark Money: Die verschlungenen Wege des Geldes

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Political Action Committees (PACs) sind Lobbygruppen, die einen Kandidaten unterstützen – oder ihn bekämpfen. Sie sammeln Spenden für ihn oder machen auf eigene Rechnung Werbung. Dabei unterliegen sie rechtlichen Bestimmungen, etwa zur Höhe der Spenden. Diese Bestimmungen gelten jedoch nicht für SuperPACs. SuperPACS können Spenden in unbegrenzter Höhe eintreiben, und anders als PACs auch von Unternehmen, Verbänden und Gewerkschaften. Die Namen ihrer Spender müssen sie im Regelfall erst nach der Wahl veröffentlichen. Voraussetzung ist, dass das Geld nicht direkt an einen Kandidaten fließt. Auch dürfen SuperPACs nicht mit deren Wahlkampagnen kooperieren. Trotzdem ist klar, wen sie unterstützen.

Trump etwa kann 2024 auf den SuperPAC „Make America Great Again Inc.“ oder „Win it back PAC“ zählen. Dagegen hat der demokratische SuperPAC „Future Forward USA“ Ende Januar angekündigt, 250 Millionen Dollar für Werbung allein in den Swing States zu reservieren.

Unbegrenzte Geldflüsse, intensive finanzielle Beteiligung von Unternehmen, Gelder, deren Ursprung anonym bleibt – Gegner dieses Wahlkampfkapitalismus sprechen von Dunkelgeld („dark money“). SuperPACs zählen insofern zur schmutzigeren Seite des amerikanischen Wahlkampfes. Sie sind ein neues Phänomen: Erst 2010 urteilte der Supreme Court mit konservativer Mehrheit, dass Spendenbegrenzungen eine Einschränkung der Meinungsfreiheit darstelle und dass Unternehmen die gleichen Rechte zustünden wie natürlichen Personen. Es war die Geburtsstunde der SuperPACs – und das endgültige Ende der in den Jahren zuvor schon aufgeweichten Regularien zur Wahlkampffinanzierung nach dem Watergate-Skandal.

Seither steigt die Summe der durch SuperPACs investierten Gelder kontinuierlich an, ebenso die Zahl hoher Einzelspenden und solcher, deren Ursprung anonym bleibt. Allerdings nahm auch die Zahl der Kleinspenden von weniger als 200 Dollar zwischen 2016 und 2020 spürbar zu. Mit 14 Milliarden Dollar war der Wahlkampf 2020 der bislang teuerste in der amerikanischen Geschichte.

Super Tuesday: Der Dienstag mit den meisten Delegiertenstimmen

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Der Dienstag ist in den Vereinigten Staaten ein beliebter Tag für Wahlen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Präsidentenwahl immer am Dienstag nach dem ersten Montag im November stattfindet. Bei der Festlegung auf den Dienstag waren verschiedene Überlegungen ausschlaggebend. Wahltag durfte in der christlich geprägten Gesellschaft nicht an einem Sonntag sein. Der Mittwoch fiel als Markttag – der war 1845 in den von der Landwirtschaft bestimmten Vereinigten Staaten wesentlich wichtiger als heute – aus. Außerdem musste ein Reisetag einberechnet werden, da zur damaligen Zeit das nächste Wahllokal zu weit entfernt sein konnte, um am selben Tag mit dem Pferd oder der Kutsche hin- und zurückzufahren – es blieben also Montag oder Donnerstag als Reisetag. Unter diesen Voraussetzungen wurde der Dienstag als beste Möglichkeit für den Wahltag festgelegt.

Bezog sich das ursprünglich nur auf die Präsidentenwahl, wurden in der folgenden Zeit auch immer mehr andere Wahlen an Dienstagen abgehalten. In der jüngeren Vergangenheit gab es immer wieder Diskussionen, den Wahltag auf das Wochenende zu schieben, da nur noch eine Minderheit der Amerikaner in der Landwirtschaft beschäftigt ist, die meisten Amerikaner aber am Dienstag arbeiten müssen. Im Zusammenhang mit der verstärkten Möglichkeit, seine Stimme auch vor dem Wahltag abzugeben (Early Voting, Mail-In-Ballot) ist daraus jedoch bis dato nichts geworden.

In diesem Jahr finden an dreizehn Dienstagen zwischen Januar und Juni Vorwahlen der beiden Parteien statt, es ist somit der beliebteste Vorwahltag. Besonders viele Bundesstaaten haben den 5. März auserkoren. In 17 Bundesstaaten werden an diesem Tag mehr als ein Drittel aller Delegiertenstimmen vergeben. Solch eine Ballung an Vorwahlen gab es in der Vergangenheit immer wieder. Die Medien haben deshalb dafür den Begriff Super Tuesday geprägt.

Dieser ist außerdem noch dadurch gekennzeichnet, dass er relativ früh im Vorwahlkalender stattfindet. Das liegt daran, dass viele Staaten möglichst früh mitentscheiden wollen, um noch einen Einfluss auf die Kandidatenauswahl zu haben. In beiden Parteien gibt es jedoch Regeln, welche Staaten das Recht haben, ihre Vorwahlen als erste abzuhalten, die anderen ballen sich dann also am ersten möglichen Termin, an dem die Regeln es zulassen. Kein Kandidat kann bereits am Super Tuesday die Vorwahl gewinnen, doch ein starkes Ergebnis kann ebenso Schwung verleihen, wie ein schwaches ihn nehmen.

Swing State: Warum wenige Bundesstaaten die Wahl entscheiden

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„Swing“ heißt Schaukel. Swing States sind die wenigen Staaten, in denen sich Anhänger beider Parteien in etwa die Waage halten, so dass der Staat mal zu den Demokraten, mal zu den Republikanern „schaukelt“. Sie werden auch als „Battleground States“ bezeichnet, denn hier tobt die politische Schlacht.

An gut 280 der 330 Millionen Amerikaner dagegen dürfte der Präsidentenwahlkampf 2024 vermutlich weitgehend vorbeigehen. Sie leben in den deutlich mehr als 40 Staaten, in denen nach übereinstimmender Auffassung von Demoskopen und Wahlkampfstrategen längst feststeht, welcher Kandidat die Mehrheit der Stimmen des Volkes und daher sämtliche Stimmen des Staates im Electoral College erhält. Da es wegen des Prinzips „Winner takes all“ für das Endergebnis keinen Unterschied macht, ob ein Kandidat einen Staat knapp oder überdeutlich gewinnt, lohnt sich Wahlkampf dort nicht. Beide Seiten konzentrieren sich ganz auf die Swing States.

Welcher Staat ein Swing State ist, ändert sich. In diesem Jahr wird vor allem auf sechs Staaten geblickt. Pennsylvania, Michigan und Wisconsin im Nordosten liegen im „Rust Belt“. Der Name Rostgürtel verweist auf den Niedergang der Industrie. Hier haben Gewerkschaften und mit ihnen die Demokraten ihre Dominanz eingebüßt; die Republikaner wurden zur erfolgreicheren „Arbeiterpartei“ zumindest in der weißen Bevölkerung. Hinzu kommen die schnell wachsenden Staaten Arizona und Nevada im Südwesten des Landes: einstige Republikaner-Hochburgen, die sich durch den Zuzug etwa aus Kalifornien verändern. Besonders schmerzlich für die Republikaner ist, dass Biden 2020 zudem denkbar knapp im alten Südstaat Georgia gewinnen konnte.

Ohio und Florida, die noch vor wenigen Jahren als Inbegriff der Swing States galten, sind inzwischen dagegen fest in Republikaner-Hand. Tendenziell gibt es immer weniger Swing States, denn die Bundesstaaten werden weltanschaulich immer homogener. Knappe Rennen gibt es praktisch nur noch da, wo linksliberal geprägte und ethnisch diverse Groß- und Universitätsstädte etwa gleich viele Wähler auf die Waage bringen wie das konservativ geprägte Vor- und Kleinstadtmilieu: Mobilisieren die Demokraten etwa erfolgreich in Michigans größter Stadt Detroit oder in Georgias Hauptstadt Atlanta, dann haben die Republikaner trotz ihrer Dominanz in der Fläche der beiden Staaten einen schweren Stand.

Third Party Candidate: Der Kampf um den Platz neben den Großen

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In der Berichterstattung über die Präsidentenwahlen in den Vereinigten Staaten kommen meist nur die beiden bestimmenden Parteien, die Demokraten und die Republikaner vor. Das kann den Eindruck erwecken, es gebe nur diese beiden und die Wähler hätten im November nur die Wahl zwischen den Kandidaten dieser beiden Parteien. Dem ist jedoch nicht so. In vielen vergangenen Wahlen stand mindestens ein weiterer Kandidat mit auf dem Wahlzettel. Seit 1968 ist es jedoch keinem dieser Drittkandidaten mehr gelungen, Stimmen im Electoral College zu erringen, also in einem Bundesstaat die meisten Stimmen zu erreichen. (Winner Takes All)

Immer wieder geraten diese Kandidaten ins Rampenlicht. Oft wird im Nachhinein über ihre Rolle diskutiert, wenn es zu einem knappen Wahlausgang kam. So wurde nach der Wahl im Jahr 2000 spekuliert, ob der Grüne Ralph Nader den Demokraten Al Gore entscheidende Stimmen für einen Sieg über George W. Bush gekostet haben könnte.

2016 gab es auch schon im Vornherein Debatten über die beiden Kandidaten Gary Johnson (Libertäre Partei) und Jill Stein (Grüne Partei). Es wurde im Allgemeinen ein enges Rennen, erst recht in den Swing States, erwartet, so dass die beiden sich Druck ausgesetzt sahen, aus dem Rennen auszusteigen.

Die Publizität, die Kandidaten kleinerer Parteien mittels einer Präsidentschaftskandidatur erlangen, ist für sie aber eminent wichtig. So können sie ihre Bekanntheit vergrößern und vielleicht mehr Amerikaner dazu gewinnen, bei der Voter Registration sich als Wähler dieser Parteien eintragen zu lassen. Mehr Bekanntheit heißt auch mehr Spendengelder, auf das die Parteien in den Vereinigten Staaten angewiesen sind. Auch in diesem Jahr gibt es wieder Kandidaten der Libertären und der Grünen.

Es gibt allerdings auch Drittkandidaten, die keine Partei hinter sich haben. So ist beispielsweise Robert F. Kennedy Jr., ein Neffe des ehemaligen Präsidenten, aus dem Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten ausgestiegen und tritt als Unabhängiger an. Er steht, wie auch andere Unabhängige, aber nur in einer Minderheit der Bundesstaaten auf dem Wahlzettel.

Ticket / Split Ticket: Eine Fahrkarte ins Weiße Haus?

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Ein Kandidat tritt nie allein an zur Präsidentenwahl. Wenn er sich ausgesucht hat, wer sein Vizepräsident im Fall einer erfolgreichen Wahl werden soll (Running Mate), gehen diese beiden gemeinsam ins Rennen. Die Amerikaner sprechen dann davon, der Kandidat habe seinen möglichen Vizepräsidenten mit auf das Ticket genommen. In diesem Fall bezeichnet es also eine einzelne Wahlmöglichkeit, bei der allerdings zwei Ämter besetzt werden.

Darüber hinaus ist mit Ticket die Gesamtheit aller Kandidaten gemeint, die für eine Partei an einem Wahltag antreten. Am 5. November wird nämlich nicht nur der Präsident gewählt, sondern auch über eine Vielzahl anderer Ämter abgestimmt. Dabei geht es um ein Drittel der nach Washington entsandten Senatoren, sämtliche Mitglieder des Repräsentantenhauses, die Parlamente und andere Wahlämter der Bundesstaaten oder Wahlkreise. Wenn ein Wähler sämtliche Kandidaten einer Partei ankreuzt, hat er sprichwörtlich für dieses Ticket gestimmt. Es kommt allerdings auch vor, dass Wähler ein Kreuz beim Präsidentschaftskandidaten einer Partei machen, bei den anderen Kandidaten, den sogenannten Down Ballot Races, sich aber anders entscheiden. Das ist dann ein Split Ticket.

Wenn beispielsweise eine Partei einen Kandidaten für die Präsidentenwahl aufstellt, mit dem sich nicht alle Anhänger der Partei identifizieren können, könnten die Wähler ihr Kreuz beim Präsidentschaftskandidaten der anderen Partei machen, danach allerdings wieder zu ihrer präferierten Partei wechseln. Ein polarisierender Kandidat kann aber auch in den Down Ballot Races Probleme bereiten, wenn er es schafft, dass dort viele seiner Gefolgsleute antreten. Wähler könnten sich dann entscheiden, auch diesen nicht ihre Stimme zu geben. Das hätte Auswirkungen auf die Machtverhältnisse im Kongress und in den Bundesstaaten.

Beide Parteien hoffen im November auf Split Tickets zu ihren Gunsten. Die Demokraten versuchen moderate Republikaner davon zu überzeugen, dass Donald Trump zu gefährlich ist, abermals Präsident zu werden. Die Republikaner bauen dem hingegen auf den Frust einiger Demokraten, dass Biden, der vielen Parteianhängern zu alt ist, abermals antritt.

Voter Registration: Die Kraftfahrzeugbehörde kennt die Parteipräferenz

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Wer in Deutschland bei der Anmeldung seines Autos danach gefragt würde, welcher Partei er sich zugehörig fühlt, würde verständlicherweise stutzig werden. In den Vereinigten Staaten ist das allerdings in vielen Staaten ganz normal. Da es in Amerika keine Einwohnermeldebehörde gibt, die weiß, wer wo wohnt und die Bürger zu Wahlen einladen kann, muss das auf eine andere Weise organsiert werden.

Bis in die neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts mussten die Bürger in einer Regierungsbehörde vorstellig werden, um sich für die Wahlen zu registrieren. Mit dem National Voter Registration Act von 1993 wurden dann die Bundesstaaten verpflichtet, eine Registrierung in der KfZ-Behörde, in Behindertenzentren, in Schulen, Bibliotheken oder per Brief möglich zu machen oder den Wählern zu erlauben, sich am Wahltag unmittelbar vor der Stimmabgabe zu registrieren. Diese Registrierung ist in allen Bundesstaaten notwendig, um an Wahlen teilnehmen zu können, außer in North Dakota. Dort reicht es, am Wahltag ein gültiges Ausweisdokument vorzulegen.

Kritiker sehen die Pflicht, sich zu registrieren, um wählen zu können, als problematisch an. Besonders Menschen mit schwachem sozioökonomischem Hintergrund würden dadurch benachteiligt und vom Wählen abgehalten. Einer Studie des renommierten Pew-Instituts aus dem Jahr 2012 zufolge war damals fast ein Viertel der wahlberechtigten Bevölkerung nicht registriert. 2016 war dann Oregon der erste Bundesstaat, der das Verfahren ein wenig vereinfachte. Wer einen Ausweis oder eine Fahrerlaubnis ausgehändigt bekommt, wird automatisch ins Wählerverzeichnis aufgenommen, es sei denn er widerspricht. 15 weitere Staaten und der Hauptstadtdistrikt haben diese Änderung seitdem übernommen.

In 31 Staaten werden die Wähler darüber hinaus gefragt, ob sie eine Präferenz für eine Partei angeben wollen oder sich als unabhängig registrieren lassen. In Staaten mit geschlossenen Vorwahlen (Primary, Caucus) ist das notwendig, um an diesen teilnehmen zu können.


Winner Takes All: Wahlmänner bekommt nur der Sieger

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Im Gegensatz zum in Europa weit verbreiteten proportionalen Wahlsystem, werden in den Vereinigten Staaten die meisten Wahlen nach dem Winner-Takes-All-Prinzip entschieden. Hierbei werden beispielsweise Sitze im Kongress nicht anhand der Stimmenanteile einer Partei verteilt, sondern nach Washington darf jener Kandidat, der in einem Wahlkreis – oder im Falle der Senatoren in einem Bundesstaat – die Mehrheit erringt.

Eine besondere Anwendung findet dieses Prinzip in der Präsidentenwahl. Die Kandidaten ringen dabei um Stimmen im Electoral College, die von den Bundesstaaten vergeben werden. Wer die Mehrheit der Wählerstimmen in einem Bundesstaat erringt, bekommt sämtliche Wahlmänner zugesprochen. Deshalb war bei der Präsidentenwahl 2000 auch das Ergebnis in Florida extrem umstritten. Die Wahlmännerstimmen hätten für beide Kandidaten den Sieg gebracht, George W. Bush hat sie bekommen und wurde Präsident.

Eine Abweichung von diesem Prinzip bilden die Staaten Maine und Nebraska. In beiden Staaten erhält derjenige Kandidat mit den meisten Wählerstimmen zwei Wahlmänner zugesprochen. Die drei (Nebraska) beziehungsweise zwei (Maine) weiteren Stimmen bekommt der Sieger der drei (Nebraska) beziehungsweise zwei (Maine) Kongressbezirke der Bundesstaaten. Es kann also sein, dass auch der im gesamten Bundesstaat unterlegene Kandidat trotzdem noch Wahlmännerstimmen einsammeln kann.

Dieses Prinzip benachteiligt kleinere Parteien, weshalb es den amerikanischen Grünen oder den Libertären nicht gelingt, Vertreter nach Washington zu entsenden (Third Party Candidate). Ab und an schaffen es lediglich Unabhängige. Bekanntestes Beispiel dafür ist derzeit wahrscheinlich Bernie Sanders, der den Bundesstaat Vermont im Senat in Washington vertritt.

Ein weiterer Effekt ist, dass Wähler oft einen Kandidaten wählen, den sie für das „geringere Übel“ halten. Würden sie sich für einen Drittkandidaten entscheiden, wäre ihre Stimme womöglich verschenkt. Das kann dazu führen, dass Wähler, die sich von keiner der beiden großen Parteien vertreten sehen, erst gar nicht zur Wahl gehen.

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