Rücktritte in London :
Folgt der Aufstand gegen May?

Jochen Buchsteiner
Ein Kommentar von Jochen Buchsteiner
Lesezeit: 2 Min.
Kämpft im Unterhaus gegen drohende Meuterei aus den eigenen Reihen: Die britische  Premierministerin Theresa May.
Ihr sanfter Brexit-Plan führte mit kurzer Verspätung zum Rücktritt ihrer Minister Davis und Johnson. Dem Abgang der prominenten Befürworter eines harten Ausstiegs aus der EU könnte der Sturz von Theresa May folgen. Ein Kommentar.

Es war eine Frage der Zeit, bis die britische Regierung zu einer Entscheidung über das eigentliche Brexit-Ziel kommen musste, und es herrschte nie ein Zweifel daran, dass dieser Augenblick Verlierer hervorbringen würde. Aber der Rücktritt des Brexit-Ministers David Davis und des Außenministers Boris Johnson – 48 Stunden nach der gefeierten „Einigung“ von Chequers – war ein Preis, den die Premierministerin wohl nicht einkalkuliert hatte. Sie haben das Zeug, die Regierung von Theresa May und damit auch die Brüsseler Austrittsverhandlungen in einen Tumult zu stürzen.

Aus Sicht vieler Brexiteers brachte Davis das Problem in seinem Rücktrittsschreiben auf den Punkt: London habe sich den Gesprächsverlauf zu sehr diktieren lassen und sei dabei immer näher an die Position der EU gerückt, die ihrerseits immer weitere Konzessionen verlange. Am Ende dieses Prozesses sieht Davis ein Post-Brexit-Britannien, das zur Polemik neigende Tories als „Vasallenstaat“ bezeichnen. Die Mehrheit der Konservativen Partei sieht das anders und folgt auch anderen Prioritäten. Sie glaubt nicht daran, dass nur ein scharfer Schnitt mit Brüssel eine „Brexit-Dividende“ ermögliche – sie glaubt an gar keine Dividende, sondern sieht ihre Aufgabe eher in der Schadensbegrenzung. Mays „dritter Weg“ folgt dieser Linie. Er ist pragmatisch und reflektiert auch die Interessen jener 48 Prozent der Wähler, die im EU-Referendum unterlegen waren. Sofern der EU an einem fairen „Deal“ gelegen ist, sollte sie darauf eingehen und nicht weiter draufsatteln.

Die Frage ist, ob May und ihr neuer Brexit-Minister Dominic Raab nun (noch) die Kraft haben werden, das neue Konzept in Brüssel auszuhandeln und am Ende vom britischen Parlament bestätigen zu lassen. Gelingt es May, weitere Rücktritte zu verhindern und die Frustrierten in ihrer Partei noch einzufangen, könnte sie, womöglich mit Hilfe von Oppositionsabgeordneten, das Verhandlungsergebnis über die Hürden bringen. Doch nach diesem ereignisreichen Montag sieht es eher danach aus, als würde sich der Aufstand in der Konservativen Partei ausweiten und ein Misstrauensvotum gegen die Vorsitzende unvermeidlich werden. Niemand im brütend heißen London wagt vorauszusagen, welche Folgen das für die Regierung, für die Verhandlungen in Brüssel und für das Land haben würde.