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Deutschland CDU-Triumph im Norden

Die eigentliche Siegerin des Wahltags heißt Angela Merkel

Stv. Chefredakteur
CDU wird bei Landtagswahl mit Abstand stärkste Kraft

Mit Spitzenkandidat Daniel Günther wird die CDU in Schleswig-Holstein die mit Abstand stärkste Kraft im Landtag. Eine große Niederlage für den bisherigen Ministerpräsident Torsten Albig und die SPD.

Quelle: N24/Larissa Herber

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Ein weiterer Wirkungstreffer gegen Schulz und ein Proeuropäer im Elysée – Merkel erlebt einen höchst erfolgreichen Wahlsonntag. Und fast nebenbei könnte eine neue Bündnisoption für den Bund entstehen.

Am Sonntag gab es bei der Wahlparty im Konrad-Adenauer-Haus ein seltsames Bild: Der Sieg von Emmanuel Macron, dem neuen Präsidenten Frankreichs, und die Niederlage von Torsten Albig, dem vom Wähler abgestraften Ministerpräsidenten Schleswig-Holsteins, wurden gleichermaßen gefeiert.

Macron als Held, Albig als Schurke. Dabei haben beide ihr Berufsleben als Mitarbeiter von linken Regierungen und Banken verbracht, was sie dem gemeinen Christdemokraten eigentlich nicht sympathisch macht. Aber das war an diesem Abend egal – als eigentliche Wahlsiegerin wurde nämlich Angela Merkel gefeiert.

Dabei stand die konservative Schwesterpartei der CDU zwar zum ersten Mal in der Geschichte der Fünften Französischen Republik nach einer verheerenden Wahlniederlage nicht einmal mehr im zweiten Wahlgang – ihr droht sogar die Spaltung. Dafür könnte in Schleswig-Holstein gelingen, was der CDU schon seit zwölf langen Jahren nicht mehr gelungen ist: ein Bundesland von der SPD zurückzuerobern.

Die Urnengänge im Norden und beim westlichen Nachbarn waren nicht nur gefühlte Siege für Merkel und ihre Getreuen. Aus zwei Gründen: In Frankreich hat mit Marine Le Pen die Kandidatin verloren, die sich als Nemesis der Kanzlerin inszeniert hatte: „Frankreich wird auf jeden Fall eine Frau regieren“, hatte Le Pen noch in der entscheidenden Fernsehdebatte böse gescherzt: „Entweder ich oder Frau Merkel.“

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Während der sozialliberale Kandidat Emmanuel Macron in Berlin im Kanzleramt empfangen wurde, war Le Pen in Moskau von Wladimir Putin begrüßt worden. Das bedeutet nicht, dass das Kanzleramt sich nun auf einen Vasallen freut. Im Gegenteil: Um genau diesen Eindruck zu zerstreuen, wird Macron schnell Korrekturen bei der Euro-Rettungspolitik fordern.

Am Wahlabend wurde er dazu aus Berlin fast ermuntert: „Wir müssen dafür sorgen, dass die Hoffnungen, die so viele junge Leute jetzt wieder auf Europa setzen, nicht enttäuscht werden“, sagte Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU). Er fügte hinzu, das sehe auch Finanzminister Wolfgang Schäuble so.

Ein Wink von Altmaier in Richtung Paris

Damit wollte Altmaier einen Angriff der SPD parieren. „0,5 Prozent Defizit sind nicht so teuer wie eine Präsidentin Le Pen“, erklärte Außenminister Sigmar Gabriel fast zeitgleich. Bisher hätten „die deutschen Konservativen“ und namentlich Schäuble französische Initiativen behindert. Gabriel deutete an, dass er die europäisch vereinbarte Grenze für Frankreichs Defizit aufweichen möchte. Ob Altmaiers Äußerung schon als Zustimmung interpretiert werden kann, blieb offen.

Während Macrons Sieg erwartet wurde, hat das sehr gute Abschneiden des christdemokratischen Kandidaten in Schleswig-Holstein alle in Berlin überrascht. Der 43-jährige Daniel Günther hat einen noch vor wenigen Wochen kaum für möglich gehaltenen Endspurt im Wahlkampf hingelegt, eine Woche vor der Wahl den SPD-Amtsinhaber überrundet und ihn am Ende sogar deutlich abgehängt. Günther ist ohne Zweifel der neue Stern am CDU-Firmament.

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An seinem Aufstieg hat die Bundespartei entgegen anderslautenden Gerüchten nur mittelbar Anteil gehabt. Als Günthers Vorgänger Ingbert Liebing im Oktober 2016 überraschend zurücktrat, hatte mit dem Bundesgeschäftsführer Klaus Schüler zwar ein Merkel-Vertrauter an der entscheidenden Landesvorstandssitzung teilgenommen. Liebing hatte sich als Kritiker der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin profiliert. Die treibende Kraft an seinem Sturz waren aber nicht Merkels Leute, sondern Mitglieder der Landesführung. Eine Umfrage, die Liebings desaströse Bekanntheitswerte feststellte, war an die Presse durchgestochen worden.

Gläubiger Katholik mit Sinn für den Zeitgeist

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Nachfolger Günther kritisierte die Politik der Führung nicht, stimmte aber auch keine Elogen an. Einmal schlug er sich im Richtungsstreit der Bundes-CDU auf die Seite der Jüngeren, die sich wieder ein kräftigeres Profil wünschen. Die Abkehr von der doppelten Staatsbürgerschaft gehöre ins Wahlprogramm, sagte Günther nach dem Bundesparteitag in Essen im Dezember. Genau das hatten die Delegierten beschlossen, einem Antrag des Vorsitzenden der Jungen Union, Paul Ziemiak, und einer feurigen Rede des jungen Finanzstaatssekretärs Jens Spahn folgend. Unmittelbar nach dem Parteitag hatte Merkel jedoch erklärt, trotzdem keinen Wahlkampf gegen den Doppelpass führen zu wollen.

Wer Günther im vertraulichen Gespräch kennenlernt, vermutet den jungen Familienvater und gläubigen Katholiken eher auf der Seite der jüngeren Christdemokraten, die sich wieder Unterscheidbarkeit von der SPD wünschen. Konservative Positionen, die er gegen den Zeitgeist für nicht mehr zu verteidigen hält, räumt er freilich ab: ob es sich um das Abitur nach zwölf Schuljahren handelt oder den Ehebegriff des Grundgesetzes. Wenn Eltern wieder 13 Schuljahre wollen und die Mehrheit meint, dass auch Homosexuelle einander heiraten sollen, dann liefert eine Günther-CDU das.

Wahlsieger könnte wichtige Rolle in der CDU-Führung spielen

Interessant wird, welche Rolle der Wahlsieger künftig in der Bundespartei spielen will. Bisher schart sich das Lager der jungen Profilierer um Spahn. Würde sich der etwas ältere Günther als Ministerpräsident hinter einem Staatssekretär einordnen?

Merkel dürften die Revierkämpfe der Parteiwelpen erst einmal egal sein. Für sie ist der Sieg Günthers ein Geschenk. Nach dem überraschend deutlichen Sieg von Annegret Kramp-Karrenbauer im Saarland ist dies schon der zweite Wirkungstreffer gegen den SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz. Die Strategie der Kanzlerin ist aufgegangen: Merkel hatte entschieden, auf das Feuerwerk nach dessen Nominierung zum Jahresanfang nicht zu antworten. Der Hype laufe sich tot, meinte sie. Und sie hat recht behalten.

Dabei hatte die CDU der SPD zuletzt reichlich Angriffsfläche geboten: mit dem Fall des Soldaten Franco A., eines mutmaßlichen Rechtsradikalen, der es als Deutscher ohne arabische Sprachkenntnisse geschafft hatte, als syrischer Kriegsflüchtling anerkannt zu werden. Hier waren unfassbare Fehler in Kernbereichen staatlichen Handels gemacht worden – die seit Jahren von Unionspolitikern verantwortet werden. Das Vertrauen der Wähler in die Union haben sie aber noch nicht erschüttert.

Für Merkel ist ein Trend entstanden, der sich selbst verstärkt: Während Herausforderer Schulz ohne Machtoption keine Fantasie beim Wähler auslöst, wachsen Merkel neue Möglichkeiten zu. In Schleswig-Holstein hätte es fast sogar sowohl für Schwarz-Gelb als auch für eine schwarz-grüne Koalition gereicht. Nun muss Günther versuchen, mit beiden zu regieren: in einer Jamaikakoalition. Sollte es gelingen, die Realo-Grünen von Robert Habeck in Schleswig Holstein dafür zu gewinnen, gibt es auch im Bund wieder eine Alternative zur großen Koalition.

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