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Neuer Präsident Der DFB und das Märchen vom Neuanfang

Bernd Neuendorf unter dem Schriftzug DFB-Präsident
Erneuerer aus alten Strukturen: Der neue DFB-Präsident Bernd Neuendorf
© Simon Hofmann / Getty Images
Der Deutsche Fußball-Bund, größter Sportverband der Welt, wird künftig von Bernd Neuendorf geführt. Der frisch gewählte Präsident hat zwar angekündigt, den Verband modernisieren zu wollen – ein echter Kulturwandel ist aber nicht von ihm zu erwarten.
Um die Probleme des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zu verstehen, lohnt ein kurzer Blick abseits des Rasens, auf den Stahlkonzern Klöckner. Er wurde Anfang des vergangenen Jahrhunderts gegründet und ist ein Dinosaurier wie der DFB, ins Leben gerufen 1900 in Leipzig. Klöckner jedoch hat sich immer wieder gewandelt. Zuletzt baute das Unternehmen eine Digitalsparte auf, nicht am Stammsitz in Duisburg, sondern in Berlin, mit neuen Leuten, in einer neu gegründeten Tochterfirma.
Der alte Stahlriese weiß, dass Innovation nur funktionieren kann, wenn es einen echten Neuanfang gibt, ohne Lasten und Verstrickungen aus der Vergangenheit. Beim DFB hingegen hat man dies nach mehr als 100 Jahren noch immer nicht begriffen, obwohl der Verband ein Sanierungsfall ist, so wie es die Schwerindustrie lange Zeit war. Schon oft wurde ein Neuanfang beschworen von einem seiner Präsidenten – und dann doch weitergewerkelt in der Frankfurter DFB-Zentrale, in denselben Strukturen, mit denselben Leuten.
Jetzt soll wieder einmal alles besser werden beim DFB, dem mit sieben Millionen Mitgliedern größten Sportverband der Welt. So hat es Bernd Neuendorf, 60, angekündigt, der an diesem Freitag beim DFB-Bundestag in Bonn zum neuen Präsidenten gewählt wurde. Neuendorf, SPD-Politiker und ehemaliger Sprecher des Bundesvorstandes, setzte sich gegen Peter Peters, 59, durch, Aufsichtsrat der Deutschen Fußball-Liga (DFL) und vormaliger Finanzvorstand des chronisch klammen FC Schalke. Neuendorfs Sieg war erwartet worden, denn er hat das Amateurlager hinter sich, das über deutlich mehr Stimmen verfügt als die Profis, die sich für Peters stark gemacht hatten.

Bernd Neuendorf ein Aufräumer? Zweifel sind angebracht

Dass nun unter Neuendorf vieles besser wird beim Verband, muss bezweifelt werden. Neuendorf hielt nämlich lange zu einem Funktionär, der den alten, intriganten DFB verkörpert: Vizepräsident Rainer Koch, dessen herausragende Fähigkeit darin besteht, Affären auszusitzen, während um ihn herum Leute geschasst werden oder freiwillig zurücktreten. Koch war der Survivor beim DFB, Schuld hatten immer die anderen. Koch, auch er ein Mann des Amateurlagers, überlebte sie alle – bis zu diesem Bundestag in Bonn. Überraschend wurde Koch aus dem Amt gewählt. Die Quittung für die vergangenen affärenumtosten Jahre.
Aufzuräumen gibt es nun eine Menge für Neuendorf. Die Affäre um die mutmaßlich gekaufte Heim-WM 2006, dem sogenannten Sommermärchen, belastet noch immer; zudem tun sich neue Probleme in der Gegenwart auf. Hausdurchsuchungen beim DFB sind längst keine Seltenheit mehr; erst vergangene Woche war die Staatsanwaltschaft wieder da und hat Akten mitgenommen. Diesmal ging es um eine Zahlung des DFB in Höhe von 360.000 Euro an einen sogenannten Kommunikationsberater in Düsseldorf – wobei nicht klar ist, welche Leistungen dafür überhaupt erbracht worden sind. Es besteht nun der Verdacht der Untreue.

Vor einem langen, mühsamen Weg

Das Ansehen des DFB hat schwer gelitten in den vergangenen Jahren und das Amt des Präsidenten gleich mit: Wolfgang Niersbach, 2012 auf den Thron gehievt, musste nach drei Jahren gehen, weil von ihm wenig Elan ausging, das rätselhafte Sommermärchen aufzuklären. Sein Nachfolger Reinhard Grindel ließ sich von einem ukrainischen Oligarchen eine teure Uhr schenken, geriet deshalb unter Druck und trat schließlich zurück. Zuletzt verabschiedete sich Fritz Keller aus dem Präsidentenamt. Er hatte seinen Vize Rainer Koch mit dem NS-Richter Roland Freisler verglichen. Beschämende Abtritte allesamt. Und peinlich für einen so mächtigen Verband wie den DFB, der mit seinen 24500 Vereinen tief in der Gesellschaft verwurzelt ist.
Neuendorf muss nun sein eigenes Amt rehabilitieren und den DFB wieder zu einer respektierten Institution machen. Es wird ein langer, mühsamer Weg werden für ihn, wenn er sich nicht entschließen sollte, einen radikalen Neuanfang zu wagen – mit neuen Leuten in neuen Strukturen. Und ohne Rücksicht auf alte Seilschaften.

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