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Wahljahr

Olaf Scholz kämpft erst um Kiel – und dann um Berlin?

Autorenprofilbild von Ulrich Exner
Von Ulrich ExnerKorrespondent
Veröffentlicht am 23.01.2017Lesedauer: 4 Minuten

Seit 2011 ist Olaf Scholz Erster Bürgermeister von Hamburg. Derzeit kommt seine SPD auf Zustimmungswerte von 48 Prozent, die AfD liegt unter fünf Prozent. Warum ist Scholz so beliebt?

Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz soll mit einem massiven Wahlkampfeinsatz dafür sorgen, dass die SPD auch künftig in Kiel regiert. Seine bundespolitischen Ambitionen stellt Scholz zurück – vorerst.

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Immerhin: Andreas Dressel, Vertrauter des Hamburger Bürgermeisters und Nachfolgekandidat Nummer eins, ist noch nicht hundertprozentig sicher: Eine „Restwahrscheinlichkeit“, sagt der SPD-Fraktionschef kurz vor Beginn des Neujahrsempfangs seiner Partei, gebe es, dass die Spitze der Sozialdemokratie am kommenden Wochenende Olaf Scholz zum Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl am 24. September ausruft.

SPD Neujahrsempfang 2017 mit Torsten Albig, Olaf Scholz und Andreas Dressel (v. l.)
SPD Neujahrsempfang 2017 mit Torsten Albig, Olaf Scholz und Andreas Dressel (v. l.)Quelle: SPD Hamburg, dpa / Peter Steffen

Aber damit es so weit kommt, müsste schon etwas absolut Außergewöhnliches passieren. Scholz, davon gehen sowohl im Senatsgehege wie auch im Bürgerschaftsflügel mittlerweile alle aus, wird nicht nach Berlin wechseln und über den Sommer 2017 hinaus Bürgermeister bleiben. Seinen Radius und seinen Einfluss allerdings, den wird er in den kommenden Monaten ausweiten. Zunächst einmal in Richtung Norden.

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In Schleswig-Holstein, im Nachbarland, steht es derzeit nicht besonders gut um die sozialdemokratisch geführte Landesregierung. Bei der letzten Meinungsumfrage lag die SPD um den dortigen Ministerpräsidenten Torsten Albig auf einmal acht Prozentpunkte hinter der CDU. Damit wäre die Küstenkoalition aus Sozialdemokraten, Grünen und Südschleswigschem Wählerverband (SSW) gesprengt. Eine Vorstellung, die Olaf Scholz nicht nur aus privaten Gründen, Ehefrau Britta Ernst ist in Kiel Bildungsministerin, missfällt.

Gute Zusammenarbeit

Scholz schwärmt seit einiger Zeit auch immer wieder ganz generell von den guten Beziehungen, die Hamburg und Schleswig-Holstein unterhalten. Die Zusammenarbeit der beiden Länder, so der Bürgermeister, „war noch nie so gut, wie sie zurzeit ist“. Auch deshalb wird er sich dort im bevorstehenden Wahlkampf engagieren wie noch kein Hamburger Bürgermeister vor ihm.

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Mindestens ein Dutzend Auftritte sind für die kommenden Wochen terminiert – alle im bevölkerungsreichen Hamburger Umland, wo sich nach Einschätzung der Kieler SPD-Strategen die Landtagswahl entscheiden wird. Geplant sind Scholz-Veranstaltungen unter anderem in Wedel, Ahrensburg, Schenefeld, Reinbek und Lauenburg. Der Auftakt ist für den 6. Februar in Pinneberg geplant. Scholz wird dabei sein in Hamburg bewährtes Vor-Ort-Format, die Bürgergespräche, eins zu eins auf die Umlandgemeinden übertragen.

Hamburgs neues Wahrzeichen erklingt

Es ist soweit: Die Elbphilharmonie wird offiziell eröffnet. Innen mit einem feierlichen Konzert, draußen mit einer opulenten Lichtshow. Ärger über Bauzeit und Kosten sind (fast) vergessen.

30 Minuten Scholz-Rede, 60 Minuten Fragestunde; nach 90 Minuten dürfen alle nach Hause. Womöglich mit dem Eindruck, dass es bei der Landtagswahl am 7. Mai weniger um Torsten Albig als um Olaf Scholz geht. Dessen persönliche Zustimmungswerte übertreffen die des Kieler Kollegen deutlich. Die Schützenhilfe aus Hamburg ist an der Förde mehr als willkommen.

Gastredner beim SPD-Neujahrsempfang

Torsten Albig, an diesem Sonntag seinerseits Gastredner beim SPD-Neujahrsempfang, hatte dann auch ein feines Gastgeschenk für den Senatschef mitgebracht. Der Ministerpräsident versprach den Hamburgern, dass sein Land sich künftig kooperativer im Umgang mit den Interessen des Hafens zeigen wolle.

„Wir brauchen kein Schleswig-Holstein, dass herumzickt, wenn es um Schlick und Hafen geht“. In der Vergangenheit hatte Kiel die Notwendigkeit, Hamburger Hafenschlick in schleswig-holsteinischen Gewässern zu verklappen, gerne zum Anlass genommen, im Gegenzug eigene Interessen durchzusetzen. Damit, so darf man Albig interpretieren, soll künftig Schluss sein.

Dass die Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern besser funktioniert, wenn in Hamburg und Kiel dieselbe Partei die Regierungsgeschäfte führt, betont auch SPD-Bürgerschaftsfraktionschef Andreas Dressel. Er verweist unter anderem auf die gemeinsamen Kabinettssitzungen des Senats mit der Landesregierung und kündigt zudem die erste Sitzung des gemeinsamen Parlamentsausschusses von Bürgerschaft und Kieler Landtag an. Sie soll am 3.März im Rathaus stattfinden. Die Menschen, so Dressel, würden die Grenze zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein längst nicht mehr als Landesgrenzen empfinden.

Berlin im Visier

Und Olaf Scholz? Der Bürgermeister, der schon bei „Anne Will“ dokumentiert hatte, dass er mehr kann als norddeutsches Klein-Klein, lässt die rund 1000 Zuhörer im Großen Festsaal des Rathauses spüren, dass ihm die Hansestadt zu eng wird. Scholz greift längst nicht nur Richtung Norden. Er nimmt Berlin ins Visier, die Kanzlerin, der er Planlosigkeit vorwirft, auch und gerade im Umgang mit den Flüchtlingen, in der Außenpolitik.

Er zeigt Richtung Brüssel, auf die EU, deren Mitgliedsländer Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat nur gemeinsam werden sichern können. Scholz hält eine Mini-Kanzlerkandidatenrede – nur für den Fall, dass in dieser Woche tatsächlich noch etwas Außergewöhnliches passieren sollte.