icon icon-welt-goWELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr AssistentJournalismus neu erleben und produktiver werden
Schleswig-Holstein

Ein Sylter soll für die CDU die Wende schaffen

Autorenprofilbild von Ulrich Exner
Von Ulrich ExnerKorrespondent
Veröffentlicht am 13.09.2015Lesedauer: 4 Minuten
Klausurtagung CDU Schleswig-Holstein
Ingbert Liebing soll in zwei Jahren die CDU zum Wahlsieg führenQuelle: dpa

Die CDU hat seit 2009 im Norden keine Wahl gewonnen. Ingbert Liebing tritt 2017 als Spitzenkandidat in Schleswig-Holstein an, das steht nun fest. Er will die Union wieder an die 40 Prozent heranführen.

Anzeige

Sie haben nicht lange diskutiert, sondern entschieden. Weil sie wissen, dass jede Personaldiskussion das einzige Ziel, das hier in Neumünster wirklich alle haben, mit einer solchen Debatte in noch viel weitere Ferne rücken würde, als es ohnehin schon liegt. Also hat der erweiterte Landesvorstand der schleswig-holsteinischen CDU an diesem Sonnabend in Neumünster den Bundestagsabgeordneten Ingbert Liebing einstimmig als Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im Mai 2017 nominiert.

Der 52-jährige Sylter soll den Ministerpräsidenten Torsten Albig (SPD) herausfordern, der seine erneute Kandidatur ebenfalls signalisiert hat. Liebings Ambition muss ein Parteitag im kommenden Jahr noch bestätigen, aber das wird, wenn nichts Außergewöhnliches passiert, Formsache sein.

Anzeige

Liebing hat 20 Vorwahlkampfmonate Zeit

Die politischen Fronten in Deutschlands Norden sind also erst einmal klar und Liebing, seit dem vergangenen November Vorsitzender der schleswig-holsteinischen CDU, steht vor ausgesprochen anspruchsvollen 20 Vorwahlkampfmonaten, in denen es gilt, einem ziemlich eindeutigen Trend zu widerstehen.

Peter Harry Carstensen
Der ehemalige Ministerpräsident Peter Harry Carstensen holte 2009 den letzten Sieg der CDU im NordenQuelle: dpa

Seit dem Jahr 2009, seit Peter Harry Carstensens mehr als knappem Wahlsieg über den SPD-Linken Ralf Stegner, haben die Christdemokraten in Norddeutschland keine einzige Wahl mehr gewonnen. Nicht in Schleswig-Holstein, nicht in Niedersachsen, nicht in Mecklenburg-Vorpommern und in den beiden Stadtstaaten Hamburg und Bremen schon gar nicht.

Anzeige

Siebenmal hat es die Union versucht, siebenmal ging man unter dem Strich nur als zweiter Sieger vom Platz. Die norddeutsche Union stellt keinen einzigen Ministerpräsidenten mehr und, wenn man sich umguckt, was aus den Spitzenkandidaten der vergangenen sechs Jahre geworden ist, dann stellt man fest, dass keiner von ihnen es ein zweites Mal versucht hat oder versuchen wird. Mit Ausnahme von Lorenz Caffier, der in Schwerin noch ein Jahr als Innenminister und Juniorpartner dienen darf, sind alle in der Versenkung verschwunden. David McAllister, der ambitionierteste unter den Verlierern, sucht eine zweite Chance in Brüssel.

Ingbert Liebing, der es im achten Anlauf nun endlich schaffen soll und für seinen Versuch auch den entschiedenen Rückhalt der Berliner Parteizentrale genießt, hat sich in seiner politischen Karriere eine ganze Zeit lang nicht verdächtig gemacht, zu ehrgeizig zu sein, zu ambitioniert. Liebing war Ratsherr in Neumünster, Bürgermeister der Gemeinde Sylt-Ost, Kreisvorsitzender in Nordfriesland, seit 2005 auch dessen Bundestagsabgeordneter.

Zu konturlos, zu blass, eher Mitläufer als Anführer

Er hat sich in der kommunalpolitischen Vereinigung seiner Partei engagiert und wenn man bei einer der diversen Personalrochaden, die Schleswig-Holsteins CDU in den vergangenen Jahren hinter sich gebracht hat, nach seinem Namen fragte, dann wusste keiner so recht, ob der in Morsum lebende Liebing, überhaupt noch weitergehende Ambitionen hatte. Zu konturlos, zu blass, eher Mitläufer als Anführer, an einer Karriere an vorderster Front nicht sonderlich interessiert.

Auch im vergangenen Herbst, als gerade mal wieder eine Übergangskonstruktion an der Spitze der schleswig-holsteinischen Union in sich zusammengebrochen war, musste man Liebing eine Weile bitten, den erneut vakanten Vorsitz seiner Landespartei zu übernehmen. Vergnügungssteuerpflichtig ist das Ehrenamt ohnehin nicht; die Chance, an der Spitze dieses nicht unbedingt dem Teamgeist verpflichteten Landesverbands zu scheitern, ist groß. Ein Blick in die lange Galerie der Vorgänger ist Abschreckung genug. Zur Wahrheit gehört deshalb auch: Es gab im vergangenen Jahr schlicht und ergreifend keinen anderen Kandidaten, hinter dem sich die Partei hätte versammeln können.

Daniel Günther (CDU)
CDU-Fraktionsvorsitzender Daniel GüntherQuelle: dpa

Dabei ist es geblieben, obwohl damals wie heute viele in der Partei den agilen Kieler Fraktionschef Daniel Günther, 42, für den talentierteren, publikumswirksameren, Erfolg versprechenderen Politiker halten. Aber Günther hängt noch immer der seit dem Jahr 2011 ebenso beständig wie zu Unrecht erhobene Vorwurf nach, als Landesgeschäftsführer den endgültigen Sturz des damaligen Vorsitzenden und Spitzenkandidaten Christian von Bötticher betrieben zu haben.

Eine Gegenkandidatur Günthers, das war auch an diesem Sonnabend allen Mitgliedern des erweiterten Landesvorstands klar, hätte viele alte Gräben wieder aufgerissen. Also blieb Ingbert Liebing in Neumünster erneut alternativlos. Aussichtslos ist seine Spitzenkandidatur deshalb allerdings nicht.

Zum einen trifft Liebing in Kiel mit Torsten Albig auf einen Ministerpräsidenten, der es mit seiner eigenwilligen, auch unsteten Art in den vergangenen drei Jahren noch nicht verstanden hat, sich so etwas wie einen Amtsbonus zu erarbeiten. Zum anderen zeigt ein Blick in die Reihe der im Norden amtierenden Regierungschefs, dass es derzeit nicht zwingend ein Nachteil sein muss, ein bisschen blass, ein bisschen glanzlos, dafür aber zumindest solide und verlässlich und entschlossen zu wirken. Stephan Weil in Hannover, Olaf Scholz in Hamburg zum Beispiel sind auf diesem Weg in ihr Amt gekommen.

Er wolle die Union, die 2012 nur knapp über 30 Prozent der Stimmen geholt hatte, wieder an die 40 Prozent heranführen, hat Ingbert Liebing nach seiner Nominierung am Sonnabend als Ziel für die kommenden 20 Monate ausgegeben. Das ist ambitioniert, aber angesichts der politischen Konstellation mit einer weiterhin schwächelnden FDP auch die einzige Möglichkeit für die norddeutsche CDU, den Negativtrend der vergangenen sieben Landtagswahlen tatsächlich zu brechen.