Ende gut, alles gut? Das für ihn eher durchwachsen verlaufene Jahr 2017 hat für den früheren schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Torsten Albig doch noch ein versöhnliches Ende gefunden. Nach einer derben Wahlniederlage, für die er vor allem in der Bundes-SPD persönlich verantwortlich gemacht worden war, und einer zunächst erfolglosen Suche nach einer neuen Beschäftigung hat der 54-jährige Sozialdemokrat wieder einen Job gefunden. Er wird ab dem 1. Januar in Brüssel als „Vice President Corporate Representation“ für die Deutsche Post DHL Group arbeiten – als Lobbyist bei der EU also.
Albig war bei der Landtagswahl im Mai seinem Herausforderer Daniel Günther (CDU) unterlegen, nachdem die SPD in den Umfragen lange Zeit vorn gelegen hatte. Ein unglücklich formuliertes Illustrierten-Interview und ein unter dem Strich verpatztes TV-Duell mit Günther trugen dann dazu bei, dass die rot-grüne Landesregierung ihre Mehrheit verlor. Albig nahm auch sein Landtagsmandat nicht an, zog sich stattdessen vollständig aus der Politik zurück und ging auf die Suche nach einer neuen Herausforderung.
Noch im September hatte der Sozialdemokrat, wiederum in einem Interview, über die Schwierigkeiten berichtet, denen er als früherer Ministerpräsident auf dem Arbeitsmarkt begegne. Viele Unternehmen glaubten, „dass sich ein ehemaliger Regierungschef nicht unterordnen“ könne. Dabei wüsste er die Bedeutung der zweiten Reihe durchaus zu schätzen, „als Jurist, Verwaltungsprofi und Generalist“ sei er zum Beispiel bestens dafür geeignet, „die Verantwortung für die Kommunikation oder andere Prozesse eines großen Konzerns zu übernehmen“.
Ausgerechnet nach vielen Diskussionen im Parlament
Ganz soweit ist Albig mit seinem ersten Schritt in das Nach-Politiker-Leben noch nicht gekommen. Den Zentralbereich Politik und Nachhaltigkeit bei der Deutschen Post DHL Group, dem die Brüsseler Repräsentanz des Unternehmens zugeordnet ist, verantwortet mit Rainer Wend weiterhin der frühere wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Er hatte den Job des Cheflobbyisten der Deutschen Post im Jahr 2009 von Monika Wulf Mathies übernommen, ebenfalls einer Sozialdemokratin und früheren EU-Kommissarin. Leiter der Brüsseler Repräsentanz ist laut der Internet-Plattform „Lobbypedia“ der Jurist Alexander Kirschall.
In der Kieler Landespolitik, die ausgerechnet in Albigs Regierungszeit heftig über den schnellen Wechsel von früheren Landesministern in die Wirtschaft gestritten hatte, wurde die Nachricht vom neuen Arbeitgeber des Ex-Ministerpräsidenten zurückhaltend aufgenommen. Albigs früherer politischer Partner, der sozialdemokratische Fraktionschef Ralf Stegner, teilte auf Anfrage lediglich mit, dass die SPD sich freue, „dass der ehemalige Ministerpräsident eine neue Aufgabe übernimmt“.
Die grüne Fraktionschefin Eka von Kalben wünschte Albig viel Erfolg in Brüssel. Sie sei sich jedenfalls sicher, dass ihr Ex-Regierungschef „zwischen seinem bisherigen politischen Amt und seiner beruflichen Aufgabe unterscheiden“ könne.
Wolfgang Kubicki, Noch-Fraktionschef der FDP, zeigte sich im Gespräch mit der WELT ebenfalls erfreut darüber, dass „Albigs öffentliche Bitte um Jobangebote Gehör gefunden“ habe. Gleichzeitig verwies der frühere Landtags-Gegenspieler des künftigen Post-Lobbyisten allerdings auf die große Skepsis, mit der gerade die schleswig-holsteinischen Sozialdemokraten in der Vergangenheit derart umstandslose Wechsel von Regierungs- auf die Lobbyseite der Politik kommentiert hatte.
Neues Gesetz hat eine Ausnahme
In der Tat hatte insbesondere der abrupte Wechsel von Albigs früherem Innenminister Andreas Breitner (SPD) in die Wohnungswirtschaft im Jahr 2014 zu intensiven Debatten über den Wechsel von Regierungsmitgliedern in die Wirtschaft geführt. Im Landtag war damals mit den Stimmen der SPD ein Gesetz verabschiedet worden, das für den Fall eines Interessenkonflikts zwischen altem Regierungs- und neuem Wirtschafts-Job eine Karenzzeit von bis zu zwei Jahren vorsieht. Dieses Gesetz gilt allerdings nur für Regierungsmitglieder, die nach dessen Verabschiedung in ihr Ministeramt gekommen sind. Also nicht für Torsten Albig.
Der bereitet inzwischen seinen Umzug nach Brüssel vor. Er selbst werde sofort in die belgische Hauptstadt ziehen, verriet der Ex-Ministerpräsident der Deutschen Presse-Agentur. Der Rest seiner Familie werde dann im Anschluss an die Schulferien nachkommen. Albig lebt seit der Trennung von seiner ersten Frau mit einer Kieler Unternehmerin zusammen, die noch Kinder im schulpflichtigen Alter hat.
Der Steuerzahler kann sich über den gelungenen Wechsel des Ex-Politikers in die Wirtschaft übrigens freuen: Das Gehalt, das Albig künftig von der Post bezieht, wird nach Auskunft der Kieler Staatskanzlei voll auf die ihm bis Mitte 2019 zustehende Übergangspension angerechnet.