Obduktion zu Todesfall angeordnet - Ein Viertel der Stellen im Berliner Maßregelvollzug nicht besetzt

Di 21.05.24 | 21:41 Uhr
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Maßregelvollzug, ehemalige Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik, Mauer, Oranienburger Strasse, Reinickendorf, Berlin, Deutschland
Audio: rbb24 Inforadio | 21.05.2024 | Sabine Müller | Bild: IMAGO / Schöning

Der Berliner Gesundheitsverwaltung gelingt weiterhin es nicht, genug Pflegekräfte für das Krankenhaus des Maßregelvollzugs zu finden. Unterdessen ermittelt die Staatsanwaltschaft im Fall eines jüngst dort verstorbenen Patienten.

  • Die Senatsverwaltung für Gesundheit hat die Planstellen für die überfüllte Klinik für psychisch kranke Straftäter in den vergangenen Jahren deutlich aufgestockt
  • 166 Stellen konnten bis Ende März aber noch nicht besetzt werden
  • Jüngst verstorbener Patient: Obduktion soll Aufschluss über die genaue Todesursache geben
 

Im Berliner Maßregelvollzug für psychisch kranke Straftäter ist aktuell jede vierte Stelle nicht besetzt. Das geht aus einer bisher unveröffentlichten Antwort der Gesundheitsverwaltung auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen hervor, die dem rbb exklusiv vorliegt.

Mit 508 besetzten Stellen musste das Krankenhaus des Maßregelvollzugs zuletzt auskommen. Vorgesehen sind eigentlich 674 Stellen, davon waren 166 zum Stichtag 31. März unbesetzt. Den größten Anteil machen demnach die Pflegekräfte aus, hier sind 109 Stellen nicht besetzt. Während von den 55 Stellen für Ärztinnen und Ärzte immerhin knapp 90 Prozent besetzt sind, fehlt bei den psychologisch ausgebildeten Therapeuten etwa die Hälfte der 40 vorgesehenen Vollzeitkräfte. Allerdings rechnet die Gesundheitsverwaltung damit, zum 1. Juni dieses Jahres 33 Psychotherapeuten einstellen zu können.

In den vergangenen Jahren hatte die Senatsgesundheitsverwaltung angesichts anhaltender Probleme im Maßregelvollzug die Zahl der Planstellen deutlich erhöht; von 580 im Jahr 2019 auf nun 674 in 2024. Während es an Personal mangelt, ist die Klinik seit Jahren überfüllt. Aktuell sind 71 Patienten mehr untergebracht als vorgesehen.

Personalmangel und Überbelegung

Der Personalrat berichtete dem rbb 2023 bereits von zunehmender Gewalt auf den Stationen, von verletzten Pflegekräften und Sachbeschädigungen.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Catherina Pieroth, nennt das einen "untragbaren Zustand". Gegenüber dem rbb verweist sie in diesem Zusammenhang auf den jüngsten Todesfall im Krankenhaus des Maßregelvollzugs. Nach ihren Informationen soll der Mann, der in Isolationshaft war, erstickt sein. "Wo ich mich auch frage, wie das unter permanenter Beobachtung in einem Isolierraum passieren kann", so Pieroth. Aus der Gesundheitsverwaltung heißt es nur, die genauen Hintergründe seien derzeit "Gegenstand intensiver Ermittlungen".

Zur Klärung der Hintergründe leitete die Berliner Staatsanwaltschaft nach eigenen Angaben ein Todesermittlungsverfahren ein. Eine Obduktion soll nun Aufschluss über die genaue Todesursache eines 27-Jährigen geben. Der Mann war am 10. Mai in der Einrichtung tot aufgefunden worden.

Es müsse jetzt gehandelt werden, fordert Pieroth und verlangt eine große Offensive zur Personalgewinnung in der Verwaltung. Die verweist auf ihre Stellenausschreibungen und Beteiligung an Jobmessen, außerdem gebe es Fortbildungs-Aktivitäten.

Ärztlicher Leiter gekündigt

Besetzt werden muss im Krankenhaus des Maßregelvollzugs auch die Stelle des ärztlichen Leiters. Der Stelleninhaber Sven Reiners hatte vor einem Monat überraschend seine Kündigung eingereicht. Aufgrund des katastrophalen Zustands könne er die Verantwortung als ärztlicher Leiter nicht mehr tragen, hatte Reiners seinen Schritt gegenüber dem rbb begründet. Die Unterbringung einzelner Patienten sei menschenunwürdig. Aufgrund von Überfüllung und Konflikten könne er nicht ausschließen, dass gefährliche Straftäter ausbrechen.

Die Gesundheitsverwaltung bestätigte, dass der Vertrag zum 30. Juni aufgelöst werden soll und spricht in der Antwort an die grünen Abgeordneten selbst wiederholt von einem "eklatanten Personalmangel", dem eine "massive Überbelegung" gegenüberstehe.

Wegen des Platzmangels könnten derzeit fünf psychisch kranke Straftäter nicht aufgenommen werden, heißt es. Sie würden vorübergehend im Justizvollzugskrankenhaus untergebracht, können dort aber nicht psychiatrisch therapiert werden. Sechs verurteilte Drogenkranke, die ihre Maßnahme in der Entziehungsanstalt hätten antreten sollen, habe man abgewiesen. Vier weitere Patienten warten im Justizkrankenhaus darauf, ihren Entzug antreten zu können.

Brandbriefe an frühere Senatorinnen Kalayci und Gote

Unverständnis äußert die grüne Gesundheitsexperten Catherina Pieroth auch darüber, dass die Sanierung eines Gebäudes, in dem knapp 50 neue Plätze entstehen sollen, noch nicht einmal begonnen hat, obwohl das nötige Geld seit einem halben Jahr bewilligt ist. Die Gesundheitsverwaltung schreibt, es werde noch geklärt, wer eigentlich Bauherr des Vorhabens sein soll. Pieroth nimmt Senatschef Kai Wegner in die Pflicht: "Da muss im Zweifel dann auch unser Regierender mal eingreifen, dass sich da nicht verschiedene Verwaltungen hinter einer Entscheidung verstecken."

Schon in den Jahren 2020 und 2022 hatten Beschäftigte des Maßregelvollzugs Brandbriefe an die damaligen Gesundheitssenatorinnen Dilek Kalayci (SPD) und Ulrike Gote (Grüne) geschrieben. Pflegekräfte und leitende Angestellte hatten darin unhaltbare Zustände in der Klinik und eine Zunahme der Gewalt auf den Stationen angeprangert. Der Personalrat der Klinik erklärte dem rbb im vergangenen Jahr, die Politik habe aus Sicht der Personalvertreter seither wenig getan, um die Zustände in der chronisch überfüllten Klinik zu verbessern.

Sendung: rbb24 Inforadio, 21.05.2024, 18:20 Uhr

12 Kommentare

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  1. 12.

    Warum so viele pflegestellen offen sind???

  2. 11.

    Natürlich muss in diesem Fall eine Obduktion angeordnet werden, denn es muss ja überprüft werden, woran der Patient gestorben ist und ob man ihm noch hätte helfen können, wenn er eher entdeckt worden wäre. Ich hoffe, dass dem nicht so ist. Ich hoffe allerdings, dass die Situation dort endlich verändert werden kann, denn die Bedingungen, sowohl für die Patienten, als auch für die Menschen, die dort arbeiten müssen, sind unhaltbar. Scheinbar liegen die Prioritäten allerdings woanders. Was muss eigentlich passieren, damit sich etwas verändert?

  3. 10.

    Ich finde es gut das die arbeitende Bevölkerung auch des Öfteren jetzt Mal ein Punkt setzt und kündigt,für deren eigene Sicherheit.Überall gibt es Personalmangel ,das warum muss hinterfragt werden .Ich persönlich würde niemals in so einer Einrichtung arbeiten wollen.Respekt an die Pflegekräfte die das freiwillig tun.Da bleib ich lieber in der ambulanten Versorgung ...

  4. 8.

    Hier zeigt sich das die Verantwortlichen auch kein Personal zaubern können. Was nutzen also Planstellen wenn diese nicht besetzt werden können. Die Frage ist, wie sieht es mit der Bezahlung aus. Welche Benifits können angeboten werden?

  5. 7.

    Ach Petra aka Sven & Eric. Miserable Rechtschreibung und rechtsextremer Inhalt. Aber immerhin, sie bleiben sich treu.

  6. 6.

    Die Zahlen bzgl der ärztlichen Besetzung sind mit Sicherheit falsch. Es kommt zu fortlaufenden Kündigungen. Klinikleitung und Senatsverwaltung sind weiterhin nicht Handlungswillig um die Situation der Angestellten zu verbessern. Fürsorgepflicht als Arbeitgeber?

  7. 5.

    Rund zehn Prozent der Untergebrachten sind Frauen.

    Aber warum ziehen Sie sich angesichts der geschilderten akuten Probleme und desaströsen Zustände im Maßregelvollzug ausgerechnet am "Gendern" hoch? Inhalt oder Form - was ist Ihnen wichtiger? Patienten sind Patienten, egal welchen Geschlechts.

  8. 4.

    Gibt doch genügend gute Aktivisten gerade von links grüner Seite die da sofort anfangen könnten, owait die nehmen scheinbar eher Bürgergeld.

  9. 3.

    Frau Pieroth, Herr Franco war war bis vor einem Jahr zuständig?
    Wen wundert es, dass eventuelles Personal kein Interesse hat in der Psycjiatrie zu arbeiten?
    Wieviel Personen sind wegen Drofenmißbrauchs und damit einhergehenden Besvhaffungskriminalität drin...könnt sicker sein, es werden mehr werden.

  10. 2.

    Es gibt sicherlich Wichtigeres als das Gendern

  11. 1.

    Gibt es eigentlich auch Straftäterinnen im Maßregelvollzug oder warum wird bei solch Themen immer nur das generische Maskulin in der Überschrift verwendet und wie nicht sonst bei anderen Themen ( Kultur, Politik...) meist bei RBB24 zu gerne auch die Gendervariante?
    Zu gerne würde mich wie gesagt interessieren warum genau bei solchenen Themen niemals auch die weibliche Form verwendet wird.

    Danke!

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