Verfassungs-Jubiläum in der Region - 1.000 Polizisten in Berlin zu Grundgesetz-Feierlichkeiten im Einsatz

Do 23.05.24 | 15:42 Uhr
23.05.2024, Berlin: Scharfschützen sichern den Staatsakt zu "75 Jahre Grundgesetz" auf dem Forum zwischen Bundestag und Bundeskanzleramt.(Quelle:dpa/K.Nietfeld)
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Audio: rbb24 Inforadio | 23.05.2024 | Interview mit Markus Meckel | Bild: dpa/K.Nietfeld Download (mp3, 11 MB)

Zum 75. Jahrestag des Grundgesetzes wird in Berlin und in Brandenburg gefeiert - mit Staatsakt und mit Festen in mehreren Städten. Die Polizei ist in Berlin mit zahlreichen Kräften im Einsatz.

  • Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz verkündet
  • Vor dem Reichstagsgebäude gibt es dazu einen Staatsakt
  • Etwa 1.000 Polizeikräfte sichern Veranstaltung ab
  • Von Freitag bis Sonntag gibt es für Bürger in Berlin ein "Demokratiefest"
  • Auch in vielen Brandenburger Städten wird das Grundgesetz gefeiert

Mit mehreren Veranstaltungen wird in Berlin und in Brandenburg am Donnerstag dem 75. Jahrestag des Grundgesetzes gedacht. Am 23. Mai 1949 hatte der Parlamentarische Rat das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland verkündet.

Dazu ist am Mittag in Berlin ein Staatsakt vor dem Reichstagsgebäude geplant. Dieser wird von hohen Sicherheitsvorkehrungen der Polizei begleitet. Rund 1.000 Polizisten sind für die Sicherheit und Verkehrslenkung im Einsatz, wie die Polizei am Mittwoch mitteilte. Autofahrer müssen rund um das Regierungsviertel in Berlin-Mitte mit Behinderungen rechnen. Auf der Spree sind Boote der Wasserschutzpolizei unterwegs. In der Luft wird die Lage mit einem Polizeihubschrauber beobachtet.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte den Staatsakt zum Jahrestag des Grundgesetzes angeordnet, er hält auch die zentrale Rede. Erwartet werden insgesamt 1.100 Gäste. Von Freitag bis Sonntag findet dann im Regierungsviertel ein Demokratiefest statt, zu dem die Bundesregierung die Bürger eingeladen hat.

Geistliche betonen Stellenwert des Grundgesetzes

Bereits am Vormittag gab es in der Marienkirche in der Karl-Liebknecht-Straße am Alexanderplatz einen ökumenischen Gottesdienst. Der stellvertretende Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Bischof Michael Gerber, bezeichnete dabei die Geburtsstunde der Bundesrepublik als "unverdienten Neuanfang". Angesichts des unsagbaren Grauens, das Deutsche unmittelbar zuvor verübt hätten, sei dies alles andere als selbstverständlich gewesen.

Nach den Worten der Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischöfin Kirsten Fehrs, gab das Grundgesetz den Menschen zunächst Halt nach der Katastrophe von nationalsozialistischer Gewaltherrschaft. Es habe helfen sollen aufzustehen "aus Zerstörung, Menschenverachtung und Amoralität". Das Grundgesetz sei damals "eher leise und im besten Sinne demütig daher gekommen".

Zu dem Gottesdienst waren viele politische Spitzenvertreter gekommen. Dazu gehörten Bundespräsident Steinmeier, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundestagspräsidentin Bärbel Bas und Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig. Zudem nahmen verschiedene Minister wie Bundesgesundheitsminister Hubertus Heil und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (beide SPD) an dem Gottesdienst teil.

Berliner Abgeordnetenhaus diskutierte in Aktueller Stunde

Das Berliner Abgeordnetenhaus debattierte in seiner Aktuellen Stunde über das Grundgesetz. Die 1949 beschlossene Verfassung habe sich bewährt, müsse aber auch an aktuelle Entwicklungen angepasst werden.

"Ein kleines Wunder" habe der parlamentarische Rat vollbracht, sagte Parlamentspräsidentin Cornelia Seibeld. Von einem "wunderbaren Recht" sprach CDU-Fraktionschef Dirk Stettner, in dem "alle Grundprinzipien unseres Zusammenlebens" steckten. Bettina Jarasch von den Grünen lobte die Schönheit und Klarheit des Grundgesetzes: "Die Würde des Menschen fragt weder nach Pass noch nach Aufenthaltspapieren, nach sozialem Status oder Geschlecht, nach Aussehen, Behinderung oder sexueller Orientierung". Viele Staaten beneideten Deutschland um das Grundgesetz, sagte die AfD-Vorsitzende Kristin Brinker. Für DDR-Bürger sei die Einführung des Grundgesetzes 1990 und die damit verbundenen Freiheitsrechte "ein Geschenk von unschätzbarem Wert" gewesen.

Während die AfD vor allem die Meinungsfreiheit in Gefahr sieht und mehr Respekt und Toleranz im Abgeordnetenhaus für ihre eigene Fraktion forderte, erinnerten die Linken daran, dass auch das Sozialstaatsgebot zu den unabänderlichen Artikeln des Grundgesetzes gehöre. Fraktionschefin Anne Helm warnte davor, es beispielsweise durch Entscheidungen zum Existenzminimum in Frage zu stellen. Insbesondere an die SPD appellierte sie, die grundgesetzlich ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit zur Vergesellschaftung von Wohnraum endlich umzusetzen.

SPD-Fraktionschef Raed Saleh dankte allen, die sich in Vereinen, in der Nachbarschaft oder in Gewerkschaften und Parteien demokratisch engagierten. "Demokratie ist anstrengend, aber es ist die beste und freieste Staatsform, die wir in Deutschland jemals hatten und für die es sich lohnt zu kämpfen." Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) forderte eine vorsichtige Weiterentwicklung der Verfassung und einen "Schutzschirm" für den Staat und seine Institutionen. Der demokratische Staat habe auch Feinde. Brennende Häuser in Thüringen, marodierende Schlägerbanden in Sachsen und bundesweit agierende Extremisten müssten alle Demokraten aufschrecken lassen.

75 Jahre Grundgesetz in Brandenburg

In Brandenburg wird in mehreren Städten der 75. Jahrestag des Grundgesetzes begangen. So soll unter anderem in Lübben (Dahme-Spreewald) ab 15 Uhr das Grundgesetz gefeiert werden. Ab 14 Uhr veranstaltet das Aktionsbündnis Brandenburg in Wittenberge (Prignitz) Gespräche unter dem Motto "Demokratie sucht das Wort". Für 17 Uhr ist in Werder (Havel) (Potsdam-Mittelmark) eine Demonstration mit Picknick angekündigt. Ab 18 Uhr ist ein Festakt mit Brandenburgs Ministerpräsidenten Dietmar Woidke in Guben (Spree-Neiße) geplant.

Woidke ist gegen Volksabstimmung über Verfassung

Es gibt aber auch Forderungen, das Grundgesetz zu modernisieren. Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow (Linke) hatte vorgeschlagen, die Bevölkerung über eine Verfassung abstimmen zu lassen. Das solle helfen, in Ostdeutschland die emotionale Fremdheit gegenüber dem Grundgesetz zu überwinden.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte dazu dem Magazin "Stern", von einer Volksabstimmung habe kein einziger Ostdeutsche etwas. Vielmehr müssten die weiterhin bestehenden Ungerechtigkeiten zwischen Ost und West endlich abgebaut werden.

Nach dem Ende der DDR gab es keine gemeinsame neue deutsche Verfassung. Stattdessen trat die DDR dem Geltungsbereich des Grundgesetzes bei.

Sendung: rbb24 Inforadio, 23.05.2024, 8 Uhr

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