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Pannenflieger A340 Annalena Baerbock und die Flugunbereitschaft: Darum hat die Außenministerin ein politisches Problem

Annalena Baerbock
Annalena Baerbock auf dem Weg zu ihrem Flug in Dubai.
© Sina Schuldt / DPA
Eine Pannenserie am Regierungsflieger zwingt Außenministerin Annalena Baerbock, ihre Reise nach Australien abzubrechen. Jetzt hat sie auch ein politisches Problem.

Manchmal kommt es im Leben auf die Perspektive an, auf den Blickwinkel also. Ist Abu Dhabi nun glamourös oder protzig? Ist eine Lage aussichtslos oder verspricht sie Potenzial? "Für uns als Crew und Sie als Passagiere ist das jetzt ein komplett heiles Flugzeug." So optimistisch hatte der Flugkommandant die Außenministerin und ihre Delegation am Dienstagabend kurz vor Mitternacht wieder an Bord der A340-Regierungsmaschine begrüßt.

Leider definieren oft nicht Perspektiven unser Leben, sondern schnöde Fakten. Und so ist fünfzehn Minuten nach dem erneuten Start klar, dass es dem Flugzeug komplett egal ist, ob man es als heil betrachtet oder nicht. Und so musste auch Annalena Baerbocks zweiter Anlauf scheitern, ihre Reise nach Australien, Neuseeland und Fidschi endlich fortzusetzen. Dabei hatte sie in Abu Dhabi nur kurz zum Tanken zwischenlanden wollen. Jetzt sollte sie hier zum dritten Mal landen.

Die erste Panne peinlich, die zweite beschämend

Baerbock erfährt es als erste, direkt vom Piloten. Der meldet sich dann über die Bordsprechanlage zu Wort. "Uns ist tatsächlich leider das gleiche Problem, was wir gestern hatten, wieder passiert." Wieder lassen sich die Landeklappen nicht einfahren. Wieder müssen 80 Tonnen Kerosin abgelassen werden, als Nebel versprüht über dem Arabischen Golf, um das vorgeschriebene Landegewicht zu erreichen. Wieder muss der Regierungsflieger umkehren nach Abu Dhabi. Wieder muss der Flugkommandant der Delegation erklären, was nicht zu erklären ist. Keine 24 Stunden zuvor war exakt dasselbe Programm schon einmal abgelaufen. Da war es peinlich. Beim zweiten Mal ist es beschämend. Für manche vielleicht sogar: ein Skandal.

Was uns zurück zu den Perspektiven bringt. Rein technisch betrachtet, trifft weder die Außenministerin noch die Flugbereitschaft Schuld an dem Malheur. Ein Druckschalter, der die Hydraulik steuern soll, damit die Landeklappen aus- und einfahren, und zwar gleichmäßig, um das Flugzeug im Gleichgewicht zu halten, einer eben dieser Schalter war offenbar defekt. Ein Fehler, der ihm in mehr als drei Jahrzehnten als Pilot bisher noch nie untergekommen sei, erklärte auch der Kommandant. Schon gar nicht, dass er sich wiederholt hätte, nachdem die Techniker diesen defekten Schalter „stillgelegt“ haben und die Maschine einen Testflug anstandslos bestanden hat.

Das ist die technische Sicht. Politisch gesehen bereitet die deutsche "Flugunbereitschaft" der deutschen Außenministerin dagegen gleich auf mehreren Ebenen Probleme. Dass ihr manche Wirrköpfe vorwerfen, warum sie als Grüne überhaupt fliegen würde – ist das eine. Dass sie zwei Mal 80.000 Liter, insgesamt also 160 Tonnen Flugbenzin ungenutzt in die Umwelt bläst, wirft dennoch einen schmutzigen Schleier über die Klimaaußenministerin. Dazu kommt der diplomatische Schaden, wie es auch in Delegationskreisen heißt.

Abgebrochener Urlaub für eine gecancelte Reise

Dabei hatte Baerbock gerade den so unbedingt klein halten wollen. Partner nicht vergrätzen, denen man mit dieser Reise endlich die Aufmerksamkeit schenken wollte, die ihnen gebührt, das war ihr Vorhaben. Was ist schon eine nationale Sicherheitsstrategie mit eigenem Indopazifik-Kapitel wert, wenn man sich in der Region dann nicht mal blicken lässt? Die Reise sollte das Signal für einen neuen Auftakt sein. Die Botschaftseröffnung auf den Fidschi-Inseln, dem pazifischen Brüssel, wo nie zuvor ein deutscher Außenminister gewesen ist. Das komplette Kabinett des Inselstaates hatte sich zur Eröffnung angekündigt, manche Minister eigens ihren Urlaub verschoben.

In Australien ist der Schaden kaum kleiner. Die Außenministerin des Landes absolviert gerade einen Labourparteitag, jongliert aber seit Tagen parallel mit Terminen zwischen den Deutschen und einer Delegation australischer Ureinwohner, die nach jahrelangen Gesprächen endlich ein paar Relikte ihrer ausgerotteten Vorfahren aus deutschen Museen zurückbekommen sollten. Fregattenbesuch, Cybersicherheit, Grundsatzrede, WM-Halbfinale – auch für Australien gilt: Was ist so eine enge, zumal Werte-Partnerschaft, wie Baerbock betonte, wirklich wert, wenn der letzte Außenminister, der zu Besuch kam, noch Guido Westerwelle hieß.

Für Baerbock war die Reisefrage damit längst zu einer Frage der Glaubwürdigkeit geworden. Entsprechend ehrgeizig hatte sie alles daran gesetzt, sie irgendwie fortzusetzen. Erst mit dem reparierten Regierungsflieger, zur Not per Linienflug, auch wenn sie dafür als erstes Neuseeland aus dem Programm streichen musste – eigentlich auch ein Pflichtbesuch, wenn man schon in der Gegend ist. Ja, wenn.

Noch in der Nacht hieß es: Wir fliegen weiter, wer kommt mit? Baerbock weiß selbst, dass sich so eine Reise nicht mal eben nachholen lässt, mit Sicherheit nicht in diesem Jahr. Die Termine der Ministerin sind auf Monate hinaus verplant, die Ziele abgestimmt mit denen des Kanzlers. Also weiter, immer weiter?

Abbruch wegen Termindrucks

Bis morgens um halb acht sah es genau danach aus. Zurück im Hotel haben ihre Leute die ganze Nacht Flugpläne gewälzt, Kapazitäten gecheckt und Kosten abgeschätzt. Es ist eine Mammutaufgabe, eine Delegation mit 69 Teilnehmern durch drei Länder und bis an die Datumsgrenze zu manövrieren. Jedes Detail wird in hunderten Mails und Meetings geklärt. Es werden nicht nur Erklärungen abgestimmt, auch Zeiten gestoppt, Wege abgelaufen, Formulare ausgetauscht – dahinter stecken Wochen und Monate akribischer Vorbereitung.

Morgens um halb acht musste es Baerbock einsehen. Sie zog die Reißleine. Die Expedition war einfach zu komplex. Die letzten Teilnehmer wären womöglich erst am kommenden Dienstag von den Fidschis zurückkehrt, sie selbst hätte es kaum bis zum Sonntag geschafft. Und Anfang der Woche kommt die Außenministerin aus dem Senegal zum Besuch. Es geht um die angespannte Sicherheitslage in der Sahelzone, den Putsch im Niger.

Die Welt ist klein. Und gleichzeitig doch so weit. Auch das ist nicht allein eine Frage der Perspektive.

ch

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