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Kriegswirtschaft Geld, Chips und Kugellager – so schmiert China Russlands Kriegsmaschine

Ohne Chinas Kugellager könnte Putin diese T-90 Panzer kaum vom Band laufen lassen
Ohne Chinas Kugellager könnte Putin diese T-90 Panzer kaum vom Band laufen lassen
© Ramil Sitdikov/ / Picture Alliance
Die westlichen Sanktionen sind wirkungslos verpufft, denn China hat die Lücken aufgefüllt. Peking kauft Russlands Rohstoffe und liefert alles, was Putins Fabriken benötigen.

Bereits kurz nach Putins Überfall auf die Ukraine entschlossen sich die westlichen Staaten, Russland mit nie da gewesenen Sanktionen zu überziehen. Außenministerin Annalena Baerbock urteilte Ende Februar 2002 bei der Verabschiedung des ersten EU-Pakets an Wirtschafts- und Finanzsanktionen gegen Russland selbstbewusst: "Das wird Russland ruinieren."

Inzwischen weiß man, nichts ist falscher als Baerbocks Annahme. Russlands Wirtschaft brummt. Das ganze Land ist in die Kriegsökonomie übergegangen und sie wird gespeist von den ungeheuren Einnahmen des Kreml. Putins Geld macht den Krieg attraktiv. Als Soldat in der Ukraine und als Arbeiter in der Rüstungsindustrie kann man – für russische Verhältnisse – ein kleines Vermögen verdienen. Vor allem ein Land sorgt dafür, dass Moskaus Einnahmen aus dem Rohstoffexport sprudeln und die russische Industrie nicht wegen des Mangels an Maschinen und Ersatzteilen zugrunde geht: China. Unmittelbarer Nachbar Russland, kaufkraftbereinigt die stärkste Volkswirtschaft der Welt und machtpolitisch der Herausforderer der USA.

China hatte kein Interesse zu gehorchen

Klügere Köpfe wie die Analystin Velina Tchakarova, hatten das Problem des westlichen Sanktionsregimes sofort erkannt. Der Westen hatte China nichts anzubieten, außer seinen Sanktionen Gehorsam zu leisten. Tchakarova prägte den Begriff "DragonBear" für das chinesisch-russische Verhältnis. Sie schrieb im März 2022: "China hat nichts zu gewinnen, wenn es die Position der USA unterstützt. Aber wenn es Russland hilft, weiß Peking, dass Russland die USA in Europa beschäftigen wird. Und die Aufmerksamkeit der USA vom Pazifik und Taiwan abgezogen wird. Dazu wird China einen Zugang zu den begehrtesten Rohstoffen erhalten, wie niemand sonst auf der Welt." Gleichzeitig wurde im Westen der chinesische Rivale als globaler Hauptgegner ausgemacht. Jeder pro-chinesische Kanal spottete damals: "Wir sollen euch helfen, Russland zu besiegen. Und wenn das erledigt ist, sind wir dann an der Reihe."

Unter machtpolitischen Aspekten gab es für Peking nur einen Weg: Russland zu unterstützen und dabei ein niedriges Profil zu bewahren. Das geschieht in zwei Richtungen: Peking bietet sich als Abnehmer russischer Rohstoffe an. Für China bedeutet dies eine Garantie für Versorgungssicherheit und für Russland volle Kassen. Zumal der globale Süden insgesamt und nicht allein China das westliche Sanktionsregime nicht unterstützt. Und auf der anderen Seite sorgt China dafür, dass Russlands Wirtschaft nicht aus dem Takt gerät.

China ersetzt den Westen

Die Handelsbeziehungen Russlands zur EU und den G7 wurden faktisch von China ersetzt. Während die chinesischen Exporte in den Rest der Welt seit 2021 um 29 Prozent gestiegen sind, sind die chinesischen Exporte mit Russland im gleichen Zeitraum um über 121 Prozent gestiegen. Peking liefert Industrie- und Konsumgütern und füllt damit die Lücke, die die Sanktionen der G7 hinterlassen haben. Für die Fortführung des Krieges sind Konsumgüter nicht entscheidend, wohl aber Rohstoffe und Industriegüter. China ist inzwischen der wichtigste Maschinenlieferant geworden. Während die chinesischen Maschinenexporte 2023 um 1,9 Milliarden US-Dollar pro Monat gestiegen sind, sind die G7-Exporte im Vergleich zu 2019 um 2,1 Milliarden US-Dollar pro Monat zurückgegangen.

Verkürzt kann man sagen, China liefert (noch) keine Waffen, aber die Maschinen und die Rohstoffe, die Putin braucht, um Waffen herzustellen. Dazu kommen "Dual Use"-Güter, also Produkte, die man zivil oder militärisch einsetzen kann. Oder die als zivile Version exportiert werden und dann in Russland militarisiert werden. Dazu gehören leichte Allrad-Fahrzeuge, die an der Front eingesetzt werden, die allgegenwärtigen Drohnen und natürlich Halbleiter – die Chips, die Waffen smart machen. Die Biden-Regierung schätzt, dass 2023 etwa 90 Prozent der russischen Mikroelektronik aus China kam. Fast 70 Prozent der rund 900 Millionen US-Dollar an Werkzeugmaschinenimporte Russlands im letzten Quartal 2023 stammten aus China.

Alles außer echte Waffen

Chinesische und russische Unternehmen bauen gemeinsam Drohnen in Russland. China liefert die Nitrozellulose, die zur Herstellung von Munition verwendet wird. Dazu kommen optische Komponenten für den Einsatz in russischen Panzern, Nachtsichtgeräte, Triebwerke für Drohnen und Turbojet-Triebwerke für Marschflugkörper. Im Westen nahm man an, dass die russische Industrie auch deshalb zusammenbrechen würde, weil die Sanktionen Wartung und Ersatzteile für Maschinen abgeschnitten haben. Tatsächlich werden Teile und auch ganze Werkzeugmaschinen re-engineered – also nachgebaut. Vermutlich mit chinesischer Hilfe.

Natürlich knirscht es auch in dieser ungleichen Partnerschaft. Die Gaspipeline Power of Siberia 2 hängt in der Schwebe, angeblich, weil sich beide Länder nicht über den Gaspreis einigen können. Vielleicht aber auch, weil Peking und Moskau einen anderen Weg gefunden haben. Russland soll planen, jährlich rund 35 Milliarden Kubikmeter Erdgas über Kasachstan nach China zu schicken. Aus Furcht vor US-Sanktionen gibt es Probleme beim Zahlungsverkehr. Häufig müssen Lieferungen durch Umwege über die zentralasiatischen Länder verschleiert werden. Chinas Exporte von Kugellagern nach Kirgisistan stiegen seit 2021 um mehr als 2000 Prozent, Endverbleib sind Putins Rüstungsfabriken. Die chinesische Technik kann die fehlenden Importe aus dem Westen nicht in jedem Bereich gleichwertig ersetzen. Dazu ist Moskau in eine bedrückende Abhängigkeit von Peking geraten. Diese Faktoren können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Versuch des Westens, Putin mit Sanktionen in die Knie zu zwingen, gescheitert ist.

Das Machtpoker mit dem Westen hat Peking bereits jetzt gewonnen. Die chinesische Industrie hat die Marktanteile des Westens in Russland einfach eingestrichen. Mit dem Zugriff auf die russischen Bodenschätze ist Peking, was Rohstoffe angeht, quasi autonom geworden. Zusammen mit Russland erreicht das Land bei einigen strategisch wichtigen Rohstoffen sogar eine beherrschende Stellung. Gemeinsam mit der eurasischen Landmasse ist China der strategischen Eindämmung durch die USA entkommen und kann mit seinem Silkroad-Project Asien, Europa, den Nahen und den Mittleren Osten erreichen.

China erhält modernste Militärtechnik

"Noch wichtiger ist, was Russland als Gegenleistung für das hergeben muss, was es von China bekommt", sagte Andrea Kendall-Taylor, Direktorin des Transatlantischen Sicherheitsprogramms am Center for a New American Security, zu "Foreign Policy". Peking erhält Zugriff auf die fortgeschrittene Militärtechnik der Russen, etwa beim Antrieb von Jets und U-Booten. Auch ist anzunehmen, dass alle Erkenntnisse, die Moskau über westliche Waffensysteme gewinnt, geteilt werden. Die bittere Folge: Wenn Russland in der Ukraine gelernt hat, westliche Präzisionswaffen erfolgreich abzufangen oder zu stören, sind diese Systeme für eine Auseinandersetzung mit China wertlos.

Letztlich bestimmt Peking den Ausgang des Krieges in der Ukraine. Der Westen kommt bei seiner Unterstützung an die Grenzen des Möglichen – selbst der Einsatz eigener Truppen wird inzwischen diskutiert. Kiews Unterstützer spüren die finanziellen Folgen ihrer Hilfe deutlich. Peking hingegen hat bislang an den Sanktionen verdient und überhaupt kein Geld investiert. Während sich im Westen die militärischen Magazine leeren, hat Peking kein einziges Rüstungsgut geliefert. Doch gibt es keine Garantie, dass dies so bleibt. Was, wenn China mit seiner gewaltigen Produktionskapazität Russland mit Militärgütern zur Seite springt? Und um das Maß vollzumachen, ist der Westen bei seinem Versuch, die eigene Rüstungsproduktion hochzufahren, davon abhängig, dass Peking die benötigten Rohstoffe in ausreichender Zahl zur Verfügung stellt.

Philipp Ivanov (Center for China Analysis) weist darauf hin, dass China gar nicht anders kann, als Russland in seinem Kampf gegen die Sanktionen zu unterstützen. "Russland dient als wichtiges Labor für Peking, um seine wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit im Falle eines groß angelegten Wirtschaftskonflikts mit dem Westen zu testen, wie er durch einen Krieg in der Taiwanstraße oder einen eskalierten Handelskrieg ausgelöst werden könnte."

Quellen: Carnegie Endowment for International Peace, Foreign Affairs, Atlantic Council, Foreign Policy, Nikkei Asia 

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