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Deutsches WM-Camp Leben im Kokon: Wie das DFB-Team die "One Love"-Debatte ausblendet

Während die DFB-Spieler wie Mario Götze (l.) sich versuchen, auf das nächste Spiel vorzubereiten, darf Manager Oliver Bierhoff viele Fragen zur "One Love"-Binde beantworten
Während die DFB-Spieler wie Mario Götze (l.) sich versuchen, auf das nächste Spiel vorzubereiten, darf Manager Oliver Bierhoff viele Fragen zur "One Love"-Binde beantworten
© Ina Fassbender / AFP
Abgeschottet von den hitzigen Diskussionen um die "One Love"-Binde bereitet sich die deutsche Nationalmannschaft auf das erste WM-Vorrundenspiel gegen Japan vor. Doch auf der PK kommt Trainer Hansi Flick nicht um die Debatte herum.

Die gesamte Reisegruppe des Deutschen Fußball-Bundes ist im Zulal Wellness Resort im Norden Katars untergebracht, und doch scheint es in diesen Tagen so, als ob sich Spieler und Funktionäre in unterschiedlichen Welten bewegen. DFB-Präsident Bernd Neuendorf und Oliver Bierhoff, der Direktor Nationalmannschaften, müssen unentwegt zum Verbot der "One Love"-Binde Stellung nehmen. Die Mannschaft hingegen beschäftigt dies nur am Rand – das wurde auf der Pressekonferenz am Abend vor dem ersten Gruppenspiel gegen Japan deutlich.

"Ich bin froh, dass dieses Thema so früh kommt", sagte Hansi Flick am Dienstagabend, als er im Main Media Center von Doha nach seiner Meinung zum Binden-Streit gefragt wurde. Der Subtext dieses Satzes lautete: Reden wir kurz drüber, dann können wir das abhaken.

"Bei der WM-Vergabe war ich 15"

"Es ist schade, dass man nicht für Menschenrechte eintreten darf", sagte Flick, und als es ein paar Fragen später um Fußball ging, war ihm anzusehen, wie die Anspannung aus ihm wich. Ähnlich äußerte sich Joshua Kimmich. "Ich möchte mich schon auf diese WM freuen dürfen, auch wenn sie hier stattfindet", sagte der Mittelfeldspieler des FC Bayern. "Als die WM 2010 an Katar vergeben wurde, war ich 15 Jahre alt. Und jetzt muss ich ständig darüber reden. Wir alle können nichts dafür, dass sie hier stattfindet." Kimmich sagte, man müsse zwar Missstände offen ansprechen, zugleich bedeute die WM "ein Riesenkindheitstraum". Es sei eine Herausforderung für ihn, "diesen Spagat hinzubekommen".

Der DFB hat einen Kokon um Mannschaft und Trainerstab gesponnen – von der zunehmenden Schärfe der Diskussion um das Binden-Verbot haben Flick und Kimmich offenbar nicht viel mitbekommen. Das DFB-Team war in die Kritik geraten, nachdem es am Montag angekündigt hatte, auf die "One Love"-Binde verzichten zu wollen. Der Weltfußball-Verband Fifa hatte bei Zuwiderhandlung mit Sanktionen gedroht. "Um die Mannschaft zu schützen, werden wir die Binde nicht tragen", hatte DFB-Direktor Bierhoff am Vortag im Trainingszentrum Al Shamal erklärt.

Erster Sponsor kehrt DFB den Rücken

In der Heimat hat diese Entscheidung eine Welle der Empörung ausgelöst. DFB-Sponsor Rewe kündigte die Zusammenarbeit auf; Politiker, Wirtschaftsführer und Kommentatoren warfen der Nationalmannschaft Mutlosigkeit und einen Kniefall vor der Fifa vor. Deutschlands größte Boulevard-Zeitung "Bild" titelte: "Schämt euch". Angesprochen auf diese Schlagzeile sagte Flick: "Sie werden sich vielleicht wundern, aber ich habe das nicht gelesen. Ich bin voll auf den Sport fokussiert." Sein Vorgänger im Amt des Bundestrainers, Joachim Löw, habe ihm kürzlich bei einem Mittagessen geraten, "möglichst wenig Informationen" an sich heranzulassen.

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"One Love"-Binde: "Es fühlt sich schon stark nach Zensur an"

01:06 min

Flicks Schilderungen zufolge ist das Binden-Verbot im Mannschaftskreis diskutiert worden. Es bestand offenbar die Bereitschaft, Gelbe Karten als Strafe für das Tragen der Binde zu akzeptieren – da aber auch härte Sanktionen bis hin zu einem Punktabzug im Raum standen, habe man sich in Abstimmung mit anderen Nationalverbänden für einen Verzicht auf die Binde entschlossen, sagte Flick.

DFB-Funktionäre kämpfen um "One Love"-Binde

Während die Spieler sich auf das Japan-Spiel konzentrieren, gehen auf Funktionärsebene die Bemühungen des DFB weiter, die Binde doch noch tragen zu dürfen. DFB-Mediendirektor Steffen Simon bestätigte Berichte, wonach man sich an den internationalen Sportgerichtshof CAS wenden will, um Rechtsschutz im Streit mit der Fifa zu erlangen. 

tkr

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