Erdogan lenkt ein: Schweden kann in die Nato

Türkei-Präsident Recep Tayyip Erdogan

Türkei-Präsident Recep Tayyip Erdogan, Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson am Montagabend in Vilnius (v.l.)

Foto: Twitter
Von: Jeanne Plaumann und Nadja Aswad

Durchbruch im Tauziehen um den Nato-Beitritt Schwedens!

Nach Angaben von Nato-Chef Jens Stoltenberg (64) macht Türkei-Präsident Recep Tayyip Erdogan den Weg für die Skandinavier in das Militärbündnis frei.

► Stoltenberg schrieb am Montagabend auf Twitter, er „freue sich“, dass Erdogan „das Beitrittsprotokoll Schwedens so schnell wie möglich an die Große Nationalversammlung (Türkisches Parlament, Anm.d.Red.)“ weiterleiten wolle, um den Beitritt Schwedens zur Nato zu bestätigen.

Dies sei „ein historischer Schritt, der alle Nato-Verbündeten stärker und sicherer macht“, so Stoltenberg weiter.

Es ist die zweite überraschende Ankündigung Erdogans an einem Tag!

► Denn: Am Montagmittag hatte der türkische Staatschef noch Bedingungen für diesen Schritt gestellt: Erdogan wollte einem Nato-Beitritt Schwedens nur dann zustimmen, wenn die Europäische Union die Beitrittsgespräche mit der Türkei wieder aufnimmt.

Auch diese Ansage Erdogans war bereits überraschend gekommen. Die Türkei stellte sich bisher entschieden gegen den Beitritt Schwedens zu dem Verteidigungsbündnis, nannte wiederholt sicherheitspolitische Bedenken.

Als Hauptgrund dafür hatte Erdogan vor allem Schwedens aus türkischer Sicht unzureichendes Vorgehen gegen „Terror-Organisationen“ genannt. Außerdem äußerte Erdogan zuletzt scharfe Kritik an einer Koran-Verbrennung in Stockholm.

Nato-Beitritt Schweden: Glückwünsche von der Bundesregierung

► Außenministerin Annalena Baerbock (42, Grüne) meldete sich am Abend auf Twitter zu Wort und gratulierte dem baldigen 32. Mitglied des Verteidigungsbündnisses: „Herzlichen Glückwunsch, Schweden!“

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► Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (53, Grüne) zeigte sich positiv: „Die Zustimmung zur Aufnahme von Schweden ist ein guter Schritt. Er stärkt die Nato. Er folgt dem Wunsch der Schweden. Eine starke und vor allem europäisch starke Nato ist in Zeiten wie diesen ein wichtiger Pfeiler für die Sicherheitsarchitektur der Welt.“

► US-Präsident Joe Biden (80) begrüßte die Stoltenberg-Erklärung: „Ich stehe bereit, mit Präsident Erdogan und der Türkei zusammenzuarbeiten, um die Verteidigung und Abschreckung im Euroatlantik-Raum zu verstärken. Ich freue mich, Regierungschef Kristersson und Schweden als unseren 32. Nato-Verbündeten zu begrüßen“, so Biden.

Schweden will in die Nato, die Türkei in die EU

Schweden hatte wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Mai 2022 gemeinsam mit Finnland die Nato-Mitgliedschaft beantragt. Finnland wurde Anfang April als 31. Mitglied im Bündnis willkommen geheißen, Schweden fehlte aber immer noch die Zustimmung aus der Türkei und auch aus Ungarn.

► Die Türkei hatte 1987 erstmals die Mitgliedschaft in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, einem Vorläufer der EU, beantragt. 1999 wurde sie zum EU-Beitrittskandidaten ernannt, 2005 wurden offizielle Beitrittsverhandlungen aufgenommen. Nach dem gescheiterten Militärputsch gegen Erdogan 2016 und den folgenden Massenverhaftungen und anderen Menschenrechtsverletzungen legte Brüssel den Prozess allerdings auf Eis.

Schaubild/Karte: Die Nato-Staaten – Infografik

Erdogan sagte noch am Montagmittag: „Ich möchte eine Tatsache unterstreichen. Die Türkei hat 50 Jahre lang vor der Tür der EU gewartet. Fast alle Nato-Mitglieder sind auch EU-Mitglieder. Ich wende mich nun an diese Länder, die die Türkei seit über 50 Jahren haben warten lassen, und ich werde mich erneut an sie in Vilnius wenden.“

Was in den Gesprächen zwischen dem türkischen Staatschef, Schwedens Ministerpräsident Kristersson und Nato-Chef Stoltenberg den entscheidenden Ausschlag gab und Erdogan dazu bewegte, den Weg für Schwedens Beitritt zum Verteidigungsbündnis freizumachen?

Laut Stoltenberg erhielt Erdogan die Zusage Stockholms, den EU-Beitrittswunsch Ankaras aktiv zu unterstützen. Außerdem kündigte Stoltenberg unter anderem die Schaffung eines „Sonderkoordinators für Terrorismusbekämpfung“ in der Nato an. Schweden und die Türkei hätten außerdem eine bilaterale Sicherheits-Vereinbarung getroffen, so Stoltenberg.

Der Frage, wann der Nato-Betritt Schwedens vollzogen sein könnte, wich Stoltenberg allerdings aus. Er wiederholte nur, dass es eine klare Zusicherung gebe, das sogenannte Beitrittsprotokoll dem Parlament zur Ratifizierung zuzuleiten.

Nato-Chef Jens Stoltenberg (Mitte) ist sichtlich zufrieden mit seinem Verhandlungserfolg. Türkei-Präsident Recep Tayyip Erdogan und Schwedens Präsident Ulf Kristersson beim freundlichen Händeschütteln

Nato-Chef Jens Stoltenberg (Mitte) ist sichtlich zufrieden mit seinem Verhandlungserfolg. Türkei-Präsident Recep Tayyip Erdogan und Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson beim freundlichen Händeschütteln

Foto: Yves Herman/AP
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