Anzeige

Bundesliga

Contra Thomas Tuchel Die Bayern holen sich einen Erfolgscoach – der aus einem Grund in München scheitern wird

Thomas Tuchel als Trainer des FC Chelsea bei einem Spiel in der Premier League
Thomas Tuchel eckt immer wieder bei seinen Vereinen an – auch beim FC Bayern München wird man sich das nicht gefallen lassen
© Steven Paston / Imago Images
Thomas Tuchel mag für den FC Bayern München der geeignete Trainer sein. Akribisch, nahezu besessen und erfolgreich. Doch auch er wird nicht lange beim Serienmeister bleiben, was mehr an Tuchel denn an den Bayern liegt.

Fünf Jahre nach der verpassten Chance klappt es im zweiten Anlauf: Thomas Tuchel nimmt auf der Trainerbank beim FC Bayern München Platz. Schon 2018 sollte Tuchel an die Säbener Straße kommen, die Zögerlichkeit der Bayern-Vernatwortlichen führte dazu, dass sich der heute 49-Jährige für Paris St. Germain entschied. Chance vertan, statt Tuchel kam Niko Kovac und musste nach 16 Monaten den Platz räumen.

Es steht außer Frage, dass Tuchel die Qualitäten mitbringt, die Bayern in die Erfolgsspur zurückzuführen, die sie bislang nicht mal verlassen haben. In der Bundesliga einen Punkt hinter Borussia Dortmund, auch im Pokal und der Champions League noch vertreten – den Bayern winkt weiterhin ein mögliches, wenn auch schweres Triple.

Tuchel gilt als akribisch arbeitender Trainer, der nahezu besessen von Taktiken ist und seine Teams perfekt auf die Gegner einstellt. Pokalsieg mit Dortmund, zwei Meisterschaften und ein Pokalsieg in Frankreich, Champions-League-Sieger und Klubweltmeister mit dem FC Chelsea – wo der gebürtige Bayer hingeht, hat er Erfolg. Dazu ist er beliebt bei seinen Spielern, Torwartlegende Gianluigi Buffon erklärte erst kürzlich, dass er nur wenige Leute kennengelernt habe, die so intelligent sind. Superstar Kylian Mbappé bedankte sich auch einst bei Tuchel für dessen Arbeit und die Erfolge in Paris.

Thomas Tuchel eckt an und muss zeitig die Vereine verlassen

Doch der Erfolg ist nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite steht ein Trainer, der sich regelmäßig mit der Geschäftsführung seiner Vereine streitet. Drei Tage nach dem Triumph im DFB-Pokal trennte sich Borussia Dortmund 2017 von Tuchel. Bereits zuvor hatte es zwischen dem Trainer und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke immer wieder gekracht, Watzke ließ mit einem offenen Brief an die Fans kurz nach der Trennung tief blicken, wie zerschnitten das Tuch zwischen Führung und Trainer war. Demnach ging es nicht nur um Ergebnisse, "es geht immer auch um grundlegende Werte wie Vertrauen, Respekt, Team- und Kommunikationsfähigkeit, um Authentizität und Identifikation. Es geht um Verlässlichkeit und Loyalität", schrieb der BVB-Boss.

Auch bei seiner nächsten Station in Paris ging Tuchel im Streit mit der sportlichen Leitung. Der Trainer war unzufrieden über die fehlenden Neuzugänge, machte seinem Ärger öffentlich Luft. "Ich mache mir Sorgen, dass wir sonst im Oktober, November, Dezember und Januar den Preis zahlen werden", erklärte Tuchel im Oktober 2020 im Kicker und mahnte an, dass man ohne Verstärkungen nicht mehr über die Saisonziele sprechen brauche. Die Schelte gefiel vor allem Sportchef Leonardo nicht, zwei Monate später folgte die Trennung von Tuchel – unmittelbar nach einem 4:0-Sieg und noch im Kabinentrakt. Dass Tuchel in seinen zwei Jahren in Paris gleich mehrere Titel holte und den Verein sogar ins Finale der Champions League führte (was bis heute nicht mehr gelungen ist), spielte keine Rolle mehr.

Ein Weltklassetrainer für den deutschen Primus. Mein Kollege Phil Göbel meint, dass Tuchel genau der richtige Mann für den FC Bayern München ist. Warum, lesen Sie hier:

Wiederum zwei Jahre später war der Erfolgscoach seinen Job in London los. Im Januar 2021 als Nachfolger von Frank Lampard führte er den kriselnden FC Chelsea noch im selben Jahr zum Titel in der Champions League. Doch mit dem neuen Besitzer Todd Boehly war der Erfolg schnell vergessen. Nach der Trennung im vergangenen Herbst lobte Boehly zwar Tuchel als begabten und erfolgreichen Trainer, erklärte aber auch, dass es die Vision des Klubs sei, "einen Trainer zu finden, der wirklich mit uns zusammenarbeiten will". Tuchel muss man zu den besten Trainern Europas zählen, sein offensichtlich schwieriger Charakter aber steht ihm bei langfristigen Engagements im Wege.

Nun also der FC Bayern München, das Aushängeschild des deutschen Fußballs, das hofft, mit Tuchel wieder an nicht sonderlich lang zurückliegende Erfolge anzuknüpfen. Wenn es Tuchel gelingt, die Mannschaft besser zu erreichen als sein Vorgänger Julian Nagelsmann, wird sich auch bei den Bayern der kurzfristige Erfolg einstellen. Ob das auch langfristig der Fall sein wird, bleibt zu bezweifeln. Mit Oliver Kahn sitzt ein Alphatier im Vorstand der Bayern und wird sich wenig Kritik gefallen lassen, ebenso wird Sportvorstand Hasan Salihamidžić bei Neuverpflichtungen ein Wörtchen mitreden wollen. Kahn und Salihamidžić geben die Vision vor, wie sich die Bayern entwickeln werden.

Wird sich Tuchel einer sportlichen Leitung unterordnen, die mit der Entlassung von Julian Nagelsmann gerade erst Stärke demonstriert hat? Wird Tuchel sich mit dem Verein und den Visionen identifizieren? Unwahrscheinlich ist das nicht. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass das Kapitel Tuchel in nicht allzu ferner Zukunft beim FC Bayern wieder geschlossen wird und sich einreiht in die Vielzahl der zuletzt sehr kurzen Trainerkarrieren in München. Der FC Bayern wird sich fragen lassen müssen, ob das der Erfolg wirklich wert ist.

Mehr zum Thema

Newsticker

VG-Wort Pixel