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M. Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier Stand-up-Paddles – die Segways des Wassers

M. Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier: Stand-up-Paddles – die Segways des Wassers
© Dieter Braun
Vielleicht ist Stand-up-Paddeln der Sport der Saison. Damit passt es dann zu vielen anderen Merkwürdigkeiten dieses einzigartigen Jahres.
Von Micky Beisenherz

Der Sommer hat ja zweifelsohne seine Schauwerte. Ich für meinen Teil beobachte gern Menschen, die in der Hitze sportlich komplexen Tätigkeiten nachgehen: junge Leute, die ein Band zwischen zwei Bäume gespannt haben und so lange darauf herumturnen, bis auch der letzte Rest Würde aus ihren Körpern herausbalanciert ist.

Andere jonglieren. Wieder andere versuchen beim Müll-Jenga, ihren Abfall so kunstfertig auf den Unrat der anderen zu stapeln, dass nicht der gesamte Turm auf der überquellenden Tonne zusammenfällt.

Micky Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier

Mein Name ist Micky Beisenherz. In Castrop-Rauxel bin ich Weltstar. Woanders muss ich alles selbst bezahlen. Ich bin ein multimedialer (Ein-)gemischtwarenladen. Autor (Extra3, Dschungelcamp), Moderator (ZDF, NDR, ProSieben, ntv), Podcast-Host ("Apokalypse und Filterkaffee"), Gelegenheitskarikaturist. Es gibt Dinge, die mir auffallen. Mich teilweise sogar aufregen. Und da ständig die Impulskontrolle klemmt, müssen sie wohl raus. Mein religiöses Symbol ist das Fadenkreuz. Die Rasierklinge ist mein Dancefloor. Und soeben juckt es wieder in den Füßen.

Und dann sind da noch diejenigen, die man in Hamburg sehr schön von den Brücken aus sehen kann: Hunderte, ach, Tausende, die sich auf ein Surfbrett stellen, um damit kaum schneller als ein Ast über die Kanäle zu treiben. Stand-up-Paddling heißt das, und wenn man bedenkt, wie absurd komisch einige dabei aussehen, muss man sagen: Speziell den Stand-up-Teil haben sie sehr ernst genommen. Man möchte pausenlos Szenenapplaus geben. Es sind die Segways des Wassers.

An meiner Lieblingsstelle, draußen an einem Nebenarm der Elbe, sind sie natürlich auch unterwegs. Da muss man dann schon aufpassen, dass man nicht kurz mit dem Kopf aus dem Wasser auftaucht und plötzlich die Freizeitsportler buchstäblich über einen drüberbrettern.

Hamburg mag diverse verkehrsberu­higte Zonen geschaffen haben – die Binnengewässer zählen definitiv nicht dazu. Was auch nicht unbedingt schön für diejenigen ist, die an den Kanälen und Alsterfleeten wohnen. Hatte man eben noch ein schönes Anwesen am Wasser, kommt man sich akustisch jetzt vor, als sei man in ein Vergnügungsviertel gezogen. Viele wollen halt nicht einfach nur paddeln, sondern auch ein bisschen feiern. Könnten Bier-Bikes schwimmen – es sähe in etwa so aus.

Noch Wasser- oder schon Schinkenstraße?

Wobei so eine Kiste Holsten ja auch das Brett stabilisiert. Noch Wasser- oder schon Schinkenstraße? Das ist die Frage. Immerhin sind wir noch nicht so weit, dass die trinkfreudigen Wassersportler bei den Anwohnern anlegen und wie eine Entenfamilie den Rasen zur Wohnzimmertür hochlatschen, um zu fragen, ob man denn mal eben zu zwölft zum Pinkeln reindürfe.

Wenn ich ehrlich bin (und das bin ich zu Ihnen natürlich immer!), muss ich aber auch zugeben, dass aus mir der Neid spricht. Aus dem Wassersport habe ich mich weitestgehend zurückgezogen, spätestens als ich mich vor ein paar Jahren mal eben ganz easy auf so ein Stand-up-Paddle-Brett schwingen wollte, um wie Chris Hemsworth lässig über das Wasser zu gleiten. Stattdessen zitterte ich wie ein Sozialdemokrat vor den ersten Hochrechnungen, kippelte und wackelte unwürdig hin und her. Surfbretter sind nicht die Bretter, die meine Welt bedeuten.

Wellenreiten war ich das letzte Mal vor 15 Jahren. Es gelang mir zwar ganz manierlich, und mit meinen blonden langen Haaren fiel ich auch nicht weiter negativ auf. Als ich da aber so saß, oben auf dem Wellenkamm in drei Meter Höhe, und sich links und rechts von mir die Typen hinab in die Fluten stürzten, da wurde mir klar: Ich bin doch eher die gemütliche Fraktion.

Die einzigen Bretter, mit denen ich auf dem Wasser glänzen kann, sind die vom Steg unter mir. Dekorativ liegen kann ich nämlich hervorragend – und so dafür sorgen, dass andere denken: "Guck mal der da, der könnte das bestimmt auch echt gut."

Man darf nur nicht so doof sein, den Gegenbeweis anzutreten.

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