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Immobilien dominieren das Insolvenzgeschehen

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Besonders Projektentwickler leiden unter der Immobilienkrise. Foto: Generative AI - stock.adobe.com
Besonders Projektentwickler leiden unter der Immobilienkrise. Foto: Generative AI - stock.adobe.com

Die Lage ist dramatisch. Die Baugenehmigungen sind im vergangenen Jahr gegenüber 2022 um mehr als ein Viertel auf den niedrigsten Stand seit 2012 eingebrochen. Objektvolumen sind mit einem Minus von 30 Prozent sogar noch stärker kollabiert. Und im Neubau sind geschätzt „nur“ 270.000 Wohnungen entstanden, wo doch die Bundesregierung bei ihrem Amtsantritt 400.000 als Ziel ausgegeben hatte.

Der Befund ist zweifellos nicht übertrieben: Der Wohnungsbau in Deutschland steckt in der Krise. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zur abrupten Zinswende, in deren Zuge die Zinsen für Hypothekenkredite binnen eines Jahres von unter 1 Prozent auf zeitweise über 4 Prozent gestiegen sind, addierten sich Unsicherheiten über staatliche Förderprogramme, die Diskussionen um die Energiewende im Gebäudebestand, steigende Baukosten und höhere Bauauflagen als bremsende Faktoren.

Prekäre Lage im Gewerbeimmobiliensektor

Noch schlimmer als im Wohnungsbau ist die Lage bei Gewerbeimmobilien. Neben dem neuen Zinsumfeld macht dem Sektor die veränderte Immobiliennutzung – Stichwort Homeoffice – zu schaffen. Die Leerstandsquote in den Ballungszentren steigt und erhöht den Druck auf Vermieter. Zudem sind kaum noch Käufer bereit, größere Gewerbeimmobilien zu erwerben.

Die prekäre Gemengelage spiegelt sich auch im Insolvenzgeschehen der Branche wider, das mit der spektakulären Pleite der Signa-Gruppe einen vorläufigen Höhepunkt erreicht hat. Die Zinswende und die damit ausgelösten Verwerfungen auf dem Immobilienmarkt waren auch Thema des 24. Restrukturierungsbarometers, das FINANCE in Zusammenarbeit mit dem Beratungshaus Struktur Management Partner (SMP) regelmäßig unter Restrukturierungsexperten durchführt.

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Die aktuellen Einschätzungen zur Lage des Immobiliensektors überraschen dabei nicht. Für 43 Prozent der Befragten ist diese kritisch, 56 Prozent urteilen unentschlossen (teils kritisch/teils unkritisch), und keiner hält die Lage für unkritisch. Am kritischsten wird das Segment der Gewerbeimmobilien beurteilt (82 Prozent), gefolgt von Wohnimmobilien (34 Prozent) und Spezialimmobilien (29 Prozent).

Signa-Insolvenz bewegt den Markt

Die Insolvenz der Signa-Gruppe ist für viele der befragten Restrukturierungsexperten ein Menetekel für die Branche: Immerhin 40 Prozent rechnen durch die Signa-Insolvenz sowie die Folgeinsolvenzen von Galeria Karstadt Kaufhof und die des Kadewe mit weitreichenden Folgen für den Markt.

Genannt wurden unter anderem eine „Verunsicherung des Marktes“, „Schwierigkeiten bei der Prolongation von Immobilienkrediten“, ein „Dominoeffekt auf nachfolgende Unternehmen“, „Abschläge bei der Ertragswertermittlung“ und die „Betroffenheit vieler Finanzinstitute“.

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Restrukturierung

Sparprogramme, Verlagerungen, Bilanzsanierung: Kaum ein Unternehmen kommt über die Jahre ohne eine Restrukturierung aus. Für Sanierungsberater ist das ein gutes Geschäft.

Einzelne Stimmen gewinnen der Situation aber auch Positives ab und erwarten eine „Bereinigung von Strukturen, die sportlich bis kritisch gewesen sind“. Ein Bankenbeben wie im Frühjahr 2023, als mehrere US-Regionalbanken und die Schweizer Großbank Credit Suisse aufgefangen werden mussten, erwartet das Gros der Befragten (74 Prozent) aber nicht. Lediglich 5 Prozent der Umfrageteilnehmer können sich ein solches Szenario vorstellen. 17 Prozent wollen dazu kein Urteil abgeben.

Zumindest von der Zinsseite dürfte mittelfristig kein weiteres Ungemach drohen. Der Markt rechnet in diesem Jahr fest mit ersten Zinssenkungen der Notenbanken in den USA und im Euroraum. Dass dies schnelle positive Auswirkungen auf die Lage aktueller Restrukturierungsfälle haben könnte, glauben aber nur die wenigsten der befragten Banker (13 Prozent). Für die Mehrheit der Umfrageteilnehmer (77 Prozent) wird die erwartete Leitzinssenkung im Euroraum die Lage von aktuellen Restrukturierungsfällen nicht deutlich verbessern.

Anzahl der Restrukturierungsfälle steigt weiter

Diesen Befund stützen auch die Fragen zum aktuellen Restrukturierungsumfeld – sowohl beim Blick zurück als auch voraus. So ist im vergangenen Halbjahr der Anteil der Befragten, die mehr Restrukturierungsfälle zur Bearbeitung bekommen haben, weiter deutlich gestiegen.

Aktuell haben 76 Prozent der Umfrageteilnehmer bestätigt, mehr Aufträge erhalten zu haben (Herbst 2023: 67 Prozent) – so viele wie noch nie seit Beginn der Erhebung im Frühjahr 2013. Und noch einmal 19 Prozent geben an, in etwa gleich viele Fälle zu bearbeiten.

Korrespondierend dazu stagniert der Anteil derer, die weniger Restrukturierungsfälle zur Bearbeitung bekommen haben, bei niedrigen 5 Prozent. Und die kommenden Monate versprechen eine Fortsetzung dieses Trends: 95 Prozent der Umfrageteilnehmer rechnen damit, dass die Zahl der Restrukturierungsfälle im nächsten halben Jahr zunimmt oder deutlich zunimmt (Herbst 2023: 89 Prozent) – ebenfalls ein Allzeithoch in dieser Erhebung.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Restrukturierungsfälle seit geraumer Zeit immer komplexer werden; mittlerweile sind knapp drei Viertel der Befragten (72 Prozent) dieser Ansicht. Auch die Finanzierung von Restrukturierungsfällen wird immer schwieriger. Wie die befragten Experten die unterschiedlichen Sektoren einschätzen, und welche die größten exogenen Gefahren sind, erfahren Sie im neuen Restrukturierungsbarometer.

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