Box-Legende Wilfried Sauerland: „Weller trieb auf dem Weg in den Ring noch Geld ein“

Heute feiert er seinen 80. Geburtstag

Wilfried Sauerland ist einer der bekanntesten Box-Promoter der Welt. In seiner Jugend war er Leichtathlet und Fußballer

Wilfried Sauerland ist einer der bekanntesten Box-Promoter der Welt. In seiner Jugend war er Leichtathlet und Fußballer

Foto: Witters
Von: JÖRG LUBRICH und LARS WALLRODT

Seit über 40 Jahren führt Promoter Wilfried Sauerland Boxer nach ganz oben: René Weller (66), Graciano Rocchigiani (†54), Henry Maske (56), Axel Schulz (51), Sven Ottke (52), Markus Beyer (†47), Marco Huck (35), Arthur Abraham (40), Nikolai Valuev (46), Sebastian Sylvester (39), Tyron Zeuge (27). Am Samstag feiert er nun in seiner südafrikanischen Heimat seinen 80. Geburtstag.

BILD am SONNTAG: Herr Sauerland, Sie sehen topfit aus und feiern genau genommen am Schalttag 29. Februar ja auch eigentlich erst Ihren 20. Geburtstag. Was ist Ihr Fitnessgeheimnis?

Wilfried Sauerland (79): Ich treibe seit frühester Jugend Sport. Auch heute noch gehe ich täglich für anderthalb Stunden ins Gym. Aufs Laufband, Fahrrad, zum Krafttraining oder zu Bodenübungen.

Und nicht zu vergessen, ein Gläschen vom guten südafrikanischen Rotwein ...

Na ja, früher habe ich mehr davon getrunken, jetzt höchstens zweimal pro Woche ein paar Gläschen.

Wie feiern Sie Ihren 80. Geburtstag?

Ganz in Ruhe. Ich ziehe mich mit meiner lieben Frau Jochi für drei, vier Tage in einen südafrikanischen Naturpark zurück und wir leben dort in einem Zelt-Camp, genießen die Natur und Tierwelt.

Sie sind zu einem der erfolgreichsten und bekanntesten Box-Promoter der Welt aufgestiegen. Wie kamen Sie eigentlich zum Boxsport?

Ich interessiere mich seit jeher für jeden Sport. Als Jugendlicher galt meine große Leidenschaft eigentlich dem Fußball und der Leichtathletik. Damals lief ich die 100 Meter in 11,3 Sekunden und war immerhin Bezirksmeister. Aber schon in frühester Jugend nahm mich mein Vater immer mit zum Boxen. Und ich fand Gefallen daran. Dieser Kampf Mann gegen Mann – das faszinierte mich. Der Wuppertaler Emil Koch war mein erstes Idol.

Und warum wurden Sie Promoter? Als Geschäftsführer einer Hamburger Exportfirma war ich Geschäftsführer in Lusaka, Sambia. Später machte ich mich dort selbstständig. Eines Tages fragte mich der sambische Außenminister und spätere Präsident Rupiah Banda, ob ich nicht für den damals sehr populären Boxer Lottie Mwale Kämpfe organisieren könnte. Ich sagte zu, brachte ihn zu Trainer George Francis nach London und veranstaltete am 8. April 1977 vor 50.000 Fans meine erste Boxveranstaltung im Fußball-Stadion von Lusaka.

Später holten Sie auch John Mugabi, den späteren Supermittelgewichts-Champ, nach England. Wie war das? Schwierig! Er bekam pro Tag von uns 100 englische Pfund. Aber John ging an die Würstchenbude, kaufte sich einen Hot Dog und legte die 100 Pfund auf den Ladentisch mit der Bemerkung: „Stimmt so“. Er hatte zunächst keine Beziehung zum Geld, wurde dann aber später in Amerika sehr populär – und mein erster Weltmeister. 1979 entdeckten Sie dann Leichtgewichtler René Weller, nahmen ihn 1981 unter Vertrag. René war sehr geschäftstüchtig, verkaufte selbst viele Karten für meine Veranstaltungen, auch für eigene Kämpfe. Selbst auf dem Weg in den Boxring kassierte er noch das Geld für die Tickets. Er war aber auch ein hervorragender und charismatischer Boxer.

Die Frau an seiner Seite: Wilfried und seine Jochi

Die Frau an seiner Seite: Wilfried und seine Jochi

Foto: German Select/Getty Images

Einmal beorderten Sie Boxarzt Prof. Walter Wagner in das Hotelzimmer von Weller ... (lacht) Stimmt! 1983 forderte Weller Europameister Lucio Cusma aus Italien heraus. Wir charterten zwei Flugzeuge mit Fans und Freunden und flogen nach Sizilien. Walter Wagner steckte ich zu René ins Zimmer, beide schliefen im Doppelbett. Wagner sollte auf Weller aufpassen, damit er nicht den Verlockungen der schönen Sizilianerinnen erliegt und so Kraft verliert. Der Kampf endete mit einem Unentschieden. Auch den bei einem Autounfall 2018 in Italien ums Leben gekommenen Graciano Rocchigiani machten Sie zum Profi und Weltmeister. Ja, Graciano ist unvergessen. Wenn er bloß nicht so unzuverlässig gewesen wäre. Einmal fand sein Trainer Wolfgang Wilke bei Rocky unter dem Bett stapelweise unbeantwortete Briefe, unter anderem vom Finanzamt. Er war aber auch unglaublich talentiert und boxte spektakulär.

Sauerland mit seinem damaligen Schützling Graciano Rocchigiani

Sauerland mit seinem damaligen Schützling Graciano Rocchigiani

Foto: Andreas Altwein / dpa

Ende der Achtzigerjahre wollten Sie schon Ihren Boxstall schließen. Dann kam der Mauerfall – und viele gute Boxer aus der ehemaligen DDR. Unter anderem Henry Maske. Ich sah in einer Zeitung ein Foto von Henry und war begeistert, lud ihn und seinen Trainer Manfred Wolke in die Schweiz nach Gstaad ein. Dort habe ich die beiden dann überzeugt, zu uns zu kommen, denn ich wusste, dass mein Hamburger Konkurrent Klaus-Peter Kohl vom Universum-Stall auch schon mit den beiden verhandelte. Später organisierten Sie für Axel Schulz drei spektakuläre WM-Kämpfe im Schwergewicht. Zuerst kam das Angebot gegen Weltmeister George Foreman. Trainer Wolke war sofort einverstanden. So kam es vor 25 Jahren zu dem Kampf in Las Vegas. Am Ende hat Axel dort einen seiner besten Kämpfe gemacht.

Einer von vielen Stars im Sauerland-Stall: Henry Maske (r.)

Einer von vielen Stars im Sauerland-Stall: Henry Maske (r.)

Foto: dpa

Foreman gewann allerdings sehr umstritten nach Punkten. Für mich hat Axel den Kampf gewonnen. Übrigens hatte ich später sogar das Angebot, dass Axel gegen Mike Tyson kämpfen sollte. Tyson war zu dem Zeitpunkt über seinen Zenit hinaus. Axel und sein Berater entschieden sich aber für einen Kampf gegen den jungen und ehrgeizigen Wladimir Klitschko. Das Ende kennt jeder ... Wie kam es eigentlich zur Idee, den späteren Weltmeister Arthur Abraham mit Schlumpfmütze einmarschieren zu lassen? Bei Abraham fielen mir Vadder Abraham und die Schlümpfe ein. Da ließen wir ihn zum Schlumpflied einmarschieren. Selbst Trainer Ulli Wegner trug die Mütze. Das Publikum fand es toll, der ganze Saal sang mit. Warum holen Sie heute keine WM-Kämpfe der großen Verbände mehr nach Deutschland? Die Bedingungen haben sich verändert. Nach der Wende haben wir mit unseren Boxern große Hallen gefüllt, hatten sehr gute Fernsehverträge. Es kostet sehr, sehr viel Geld, einen Weltmeister nach Deutschland zu holen. Am ehesten kann es unser Profi Abass Baraou schaffen, um einen WM-Titel der vier großen Verbände zu kämpfen. Nicht zu vergessen Schwergewichtler Filip Hrgovic. Auch Leon Bunn, Patrick Wojciki und Denis Radovan sind weit oben in den Weltranglisten, dazu kommt mit der 18-jährigen Sophie Alisch eine sehr talentierte Boxerin.

Jahrelang arbeiteten Sie erfolgreich und fast freundschaftlich mit Trainer Ulli Wegner zusammen. Jetzt streiten Sie sich vor Gericht. Ulli hat bei uns Millionen verdient, jetzt streitet er um verhältnismäßig wenig Geld, einige tausend Euro. Im Moment will keine Seite nachgeben. Erst mal soll Ulli nach dem Oberschenkelhalsbruch wieder gesund werden. Das wünsche ich ihm von ganzem Herzen. Wir telefonieren regelmäßig miteinander und sind auch noch freundschaftlich miteinander verbunden. Was wünschen Sie sich zum 80. Geburtstag? Gesundheit, Zufriedenheit. Und dass alles so bleibt, wie es ist.

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