Dinge Erklärt – Kurzgesagt

Quellen – EU-Wahlen

Wenn du eine Sache aus unserem Video gelernt hast, dann vermutlich, dass die EU ein bürokratisches Ungetüm ist – aber eins über das wir trotzdem ganz froh sein können. Schließlich kommt der ganze Papierkram nur deshalb zustande, weil sie versucht die Interessen aller EU-Staaten zu berücksichtigen. Wie kompliziert das alles wirklich ist weißt du aber erst, wenn du mal einen Blick in die Quellen geworfen hast. Mach dir besser einen Kaffee, das hier könnte länger dauern.


Wir danken den folgenden Wissenschaftlern und Experten für ihre Hilfe bei diesem Video:


  • Alberto Alemanno

Professor für EU-Recht an der HEC Paris; Professor für Recht an der NYU School of Law in Paris, Gründer der "Good Lobby"


  • Barbara Lippert

Forschungsleiterin am Deutschen Institut für Internationale Politik und Sicherheit


  • Erik Brandes

Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Internationale Politik und Sicherheit


  • Anna Hundehege

Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Institut für Internationale Politik und Sicherheit


  • Anonym

Professor für angewandte Politikforschung



EU-Wahlen – Quellen:



– EU-Bürger zu sein bedeutet, dass viele Bereiche unseres Lebens von einem merkwürdigen Konstrukt reguliert werden.


Auf dieser Seite gibt die EU eine Übersicht über sämtliche Regelungen die es so gibt.


#Zusammenfassung der EU-Gesetzgebung

https://eur-lex.europa.eu/browse/summaries.html?locale=de


– Viele Europäer glauben deshalb, dass ihre Stimme bei der Europawahl nicht zählt und dass die EU nicht demokratisch ist.


Die Ansichten darüber, ob die Stimme bei der EU-Wahl Einfluss hat oder nicht sind gerade dabei sich zu ändern. 2017 waren zum ersten Mal mehr Leute der Meinung, dass ihre Stimme einen Unterschied macht als andersherum – 48% sagten ja, 47% sagten nein. Hier hat sich also etwas verbessert, aber leider sind das immer noch weniger als die Hälfte aller EU-Bürger.

#Parlemeter 2018, D72.1, Page 31,2018

https://www.europarl.europa.eu/at-your-service/files/be-heard/eurobarometer/2018/parlemeter-2018/report/en-parlemeter-2018.pdf



– In demokratischen Staaten orientiert sich die Politik am Willen der Bürger.


Wörtlich übersetzt aus dem Altgriechischen bedeutet Demokratie “Herrschaft des Volkes”. Der 16. Präsident der USA Abraham Lincoln fügte der ursprünglichen Definition noch hinzu: “Demokratie ist die Regierung des Volkes, durch das Volk für das Volk.”


Beides sind aber theoretische Ansätze, die nur die Kernidee der Demokratie beschreiben. In keinem Land der Welt sind praktisch gesehen Herrscher und Beherrschte die selben Menschen.


Deshalb ist unsere Aussage, dass die Politik auf dem Willen der Bürger beruht ein bisschen allgemeiner zu verstehen.


Die Bundeszentrale für politische Bildung erklärt das ganz genau.


#Demokratie, Bundeszentrale für politische Bildung, 2011

https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/pocket-politik/16391/demokratie



– In einer funktionierenden Demokratie gibt es Kontrollmechanismen, die faire Rahmenbedingungen für diese Machtkämpfe schaffen sollen und begrenzte Amtszeiten verhindern, dass einzelne Parteien zu mächtig werden.


Zu den fairen Rahmenbedingungen gehört z.B. die Gewaltenteilung, freie, gleiche und geheime Wahlen und die Kontrollfunktion des Parlaments. Parlamente haben in der Regel die Möglichkeit die Regierung abzusetzen. In der EU geht dies mit einer Zwei-Drittel Mehrheit, in der Bundesrepublik mit einem konstruktiven Misstrauensvotum. Das bedeutet, dass der Kanzler nur dann vom Parlament abgewählt werden kann, wenn im gleichen Moment ein neuer Kanzler gewählt wird.


Eine weitere Kontrollmöglichkeit des Parlaments ist es Fragen an die Regierungsvertreter stellen zu können.


#Freiheitliche demokratische Grundordnung, Bundeszentrale für politische Bildung, 2011

https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/pocket-politik/16414/freiheitliche-demokratische-grundordnung



– Internationale Politik ist nicht demokratisch sondern anarchisch.


Achtung: die nächsten Absätze enthalten ziemlich viel geballte Politiktheorie, aber es lohnt sich.


In den Politikwissenschaften gibt es unterschiedliche Theorien, die versuchen die internationalen Beziehungen zu erklären.


Dass es keine Zentralgewalt auf der internationalen Ebene gibt, die in der Lage ist Staaten zur Rechenschaft zu ziehen, ist unumstritten. Für den (Neo-)Realismus, einer der vorherrschenden Theorien, folgt daraus, dass im internationalen System allgemeine Anarchie herrscht.


Andere Theorien, wie der Institutionalismus, sehen neben Staaten aber auch nicht-staatliche Akteure, wie NGOs, Unternehmen und Banken an der internationalen Politik beteiligt. Die ursprüngliche Anarchie auf internationaler Ebene wird also immer mehr durch globale Abhängigkeiten aufgehoben.


Gesellschaftliche und wirtschaftliche Organisationen sind über Ländergrenzen hinaus voneinander abhängig, z.B. auf Grund des Austausches von wichtigen Gütern oder Informationen. Da diese internationale Zusammenarbeit ein Vorteil für alle Beteiligten ist, werden immer mehr Organisationen ein Interesse daran haben, sich global zu vernetzen, was letztendlich zu einer globalen Kollaboration führen wird – so zumindest die Theorie.


Die Frage, ob internationale Politik jetzt anarchisch ist oder nicht, bleibt weiterhin umstritten. Jede Theorie der internationalen Politik wurde schonmal angefochten und es ist immer noch nicht entschieden, welche von ihnen sich in den Politikwissenschaften durchsetzen wird.


Es ist also sehr kompliziert und auf diesem Gebiet lassen sich kaum Aussagen treffen, denen alle Theorien gleichermaßen zustimmen würden.


Hier eine Übersicht über alle Wikipedia-Artikel der verschiedenen Theorien:


https://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:Theorie_der_Internationalen_Beziehungen


#Einführung in die internationalen Beziehungen, 2010

https://www.amazon.de/Theorien-internationalen-Beziehungen-Einf%C3%BChrung-Politikwissenschaft/dp/3486587579#reader_3486587579



– Aber weil die UN praktisch keine Macht hat und ihre Mitglieder oft gegensätzliche Interessen verfolgen, werden diese Regeln oft höflich ignoriert.


Das erste große Problem der UN ist, dass im entscheidenden Gremium, dem Sicherheitsrat, die fünf ständigen Mitglieder Frankreich, Großbritannien, die USA, Russland und China ein Vetorecht haben. Das heisst, dass jedes Mitglied eine Entscheidung stoppen kann. Da bereits diese fünf Länder in sehr vielen Fragen gegensätzliche Interessen haben, kommt es selten zu einer Einigung.


Das zweite Problem ist, dass der Internationale Gerichtshof (Hauptrechtsprechungsorgan der UN) nur dann einschreiten darf, wenn alle beteiligten Parteien damit einverstanden sind. Zudem gibt es keine internationale Exekutive, die ein Urteil des Internationalen Gerichtshofes durchführen könnte. Damit ist er komplett von der Zusammenarbeit mit dem angeklagten Staat abhängig, was es in der Realität sehr schwierig macht, Verstöße zu verurteilen und die Urteile dann durchzusetzen.


#UNO – Stärken und Schwächen einer Weltorganisation, 2015

http://www.bpb.de/izpb/209686/uno-staerken-und-schwaechen-einer-weltorganisation?p=all



– Die EU hat hingegen Regeln und Gesetze für ihre Mitgliedsstaaten, die sowohl bindend als auch durchsetzbar sind.


Rechtsbeschlüsse der EU sind vor dem EuGH (Europäischer Gerichtshof) einklagbar. Wer z.B. Widerspruch gegen ein Gerichtsurteil in Deutschland einlegt, kann, nachdem alle Instanzen der deutschen Gerichtsbarkeit durchschritten sind, als letzte Möglichkeit noch vor den EuGH ziehen.


Die Zuständigkeiten und Kompetenzen des Europäischen Gerichtshof sind in Art. 19 des Vertrages zur Europäischen Union geregelt.


#Vertrag über die Europäische Union (konsolidierte Fassung), 2019

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:12012M/TXT



– Die EU wurde ursprünglich gegründet, um Frieden und Wohlstand zwischen den europäischen Staaten zu sichern.


Gemeint ist hier der erste Vorgänger der EU, die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS). Sie wurde 1951 gegründet, um jene Industriezweige einer internationalen Kontrolle zu unterziehen, die für die Waffenproduktion nötig waren. 1957 kam das Abkommen “EURATOM” hinzu, das die Nutzung von Nukleartechnik regeln sollte.


#Geschichte der EU, Planet Wissen, 2018

https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/organisationen/geschichte_der_eu/index.html



– Sie ist wie ein “Super-Staat”, der anstrebt demokratisch zu sein und von all seinen Bürgern legitimiert zu werden.


Streng genommen ist die EU gar kein Staat, sondern eine internationale Organisation. Ein Staat definiert sich nach der Drei-Elemente-Lehre von Jellinek durch ein gemeinsames Staatsgebiet, ein gemeinsames Staatsvolk und eine gemeinsame Staatsgewalt. Die Mitgliedstaaten der EU bestimmen jedoch noch immer autonom mit ihrer eigenen Staatsgewalt über ihr Staatsgebiet. Auch die Frage, ob man überhaupt von einem “europäischen Volk” sprechen kann, ist sehr umstritten.


#Allgemeine Staatslehre, 1905

https://archive.org/details/allgemeinestaat00jellgoog/page/n16


Um unser Video anschaulicher zu machen, haben wir uns trotzdem entschieden, die EU einen “Super-Staat” zu nennen. Einige Experten werden vehement widersprechen, damit können wir aber leben.



– Wenn man unabhängige Staaten in einer demokratischen Union zusammenführen will, dann hat man zwei Optionen:


An dieser Stelle haben wir stark vereinfacht:


In den Politikwissenschaften werden die beiden beschriebenen Optionen “supranational” und “intergouvernemental” genannt.


Intergouvernementale Organisationen agieren zwischenstaatlich. Das heißt, dass Entscheidungen der Organisation nur mit Zustimmung aller beteiligten Akteure gefällt werden können, also zwischen den Staaten entschieden wird.


Supranationale Institutionen hingegen stehen über den jeweiligen Mitgliedern, sprich die Mitglieder können lediglich an Abstimmungen teilnehmen und müssen sich am Ende der Mehrheit fügen.


#Nach welchen Prinzipien funktioniert die EU?

https://infoseiten.slpb.de/politik/europa/eu/prinzipien-und-leitbilder-der-eu/



– Beide Herangehensweisen haben Vor- und Nachteile und die EU hat am Ende beide gemischt.


Der Vorteil von supranationalen Organisationen ist, dass sie stärker demokratisch legitimiert sind. Alle Bürger würden gleichermaßen für ein Parlament und eine Regierung wählen, was die Regierung ohne Umwege mit dem Bürger verknüpft. Dafür ist aber der Nachteil, dass die Nationalstaaten in Sachen Entscheidungsgewalt Macht abgeben müssten, was sie generell nur sehr ungern tun.


Genau darin liegt der Vorteil von intergouvernementalen Organisationen: Die letztendliche Macht bleibt in den Händen der Mitgliedstaaten, was es wahrscheinlicher macht, dass überhaupt Beschlüsse gefasst werden. Dafür sind Entscheidungen dann nur von den Staatsoberhäuptern legitimiert, kaum jedoch auf direktem Wege durch den Bürger.


In Europa hat sich im Laufe der Geschichte eine Mischung der beiden Ansätze durchgesetzt. In ihrer heutigen Form ist die EU ein Kompromiss aus beiden, da sie supranationale Institutionen (EU-Parlament und EU-Kommission) und die beiden intergouvernementalen Institutionen (Rat der Europäischen Union und Europäischer Rat) zur Zusammenarbeit zwingt.


#Nach welchen Prinzipien funktioniert die EU?

https://infoseiten.slpb.de/politik/europa/eu/prinzipien-und-leitbilder-der-eu/



– Neben dem Europäischen Gerichtshof gibt es vier weitere Einrichtungen, über die wir heute sprechen werden:


Dazu gibt es noch zwei weitere Institutionen, die wir gar nicht erwähnt haben – die Europäische Zentralbank und den Europäischen Rechnungshof.


#Organe und Institutionen – Ein Überblick

https://www.europarl.europa.eu/germany/de/europa-und-europawahlen/organe-und-institutionen


Sie spielen im politischen Entscheidungsprozess eine untergeordnete Rolle, sind allerdings nicht unwichtig. Die Europäische Zentralbank kann z.B. eigenständig Entscheidungen mit weitreichenden Folgen für die Mitgliedstaaten fällen. Dies wurde vor allem während der Eurokrise 2008 stark kritisiert, als z.B. Griechenland Sparmaßnahmen auferlegt wurden, ohne dass Griechenland die Möglichkeit hatte, diese abzulehnen.


#Die Rolle der EZB und der Rechtliche Rahmen, Deutschlandfunk, 2015

https://www.deutschlandfunk.de/griechenland-krise-die-rolle-der-ezb-und-der-rechtliche.724.de.html?dram:article_id=324697



– Im Prinzip basiert die Zusammensetzung all dieser Organe direkt oder indirekt auf deiner Stimme, ob auf nationaler Ebene oder auf EU-Level – bei manchen mehr als bei anderen.


Europäischer Rat: Du wählst dein nationales Parlament → das wählt den Bundeskanzler → Der Bundeskanzler trifft Entscheidungen in der EU


Rat der EU: Du wählst dein nationales Parlament → das wählt den Bundeskanzler → Der Bundeskanzler ernennt Minister → Diese Minister treffen Entscheidungen in der EU


EU-Kommission: Du wählst dein nationales Parlament → das wählt den Bundeskanzler → Der Bundeskanzler nominiert einen Kommissar, der dann vom Europäischen Rat übernommen und vom EU-Parlament bestätigt wird


EU-Parlament: Das EU-Parlament wird direkt von allen Europäern gewählt.


#Das Europäische Parlament

https://www.europarl.europa.eu/germany/de/europa-und-europawahlen/parlament



– Die Staats- und Regierungschefs wählen dann den Präsidenten der EU-Kommission und die EU-Kommissare, die dann zuletzt noch vom EU-Parlament bestätigt werden.


Die Kommissare werden von den nationalen Regierungen ernannt, dann vom Europäischen Rat (also den Staats- und Regierungschefs) ausgewählt und letztendlich einzeln vom EU-Parlament gewählt.


#Europäische Kommission

https://europa.eu/european-union/about-eu/institutions-bodies/european-commission_de


Der EU-Kommissionspräsident wird vom Europäischen Rat ernannt und später vom EU-Parlament gewählt. Seit der Einführung des sogenannten “Spitzenkandidatenverfahren” muss der Europäische Rat bei seiner Entscheidung die Ergebnisse der EU-Wahl mit einbeziehen. Das bedeutet, dass der Spitzenkandidat der Partei mit den meisten Stimmen auch höchstwahrscheinlich der neue Kommissionspräsident wird. Allerdings ist das nicht automatisch so. Der Europäische Rat könnte sich theoretisch auch gegen das Ergebnis der Wahlen wenden und jemand anderen vorschlagen. In einem solchen Fall würde der Kommissionspräsident allerdings wahrscheinlich keine Mehrheit im EU-Parlament finden, weshalb es höchst unwahrscheinlich ist, dass der Europäische Rat den Wahlergebnissen nicht folgt.


#Europawahl 2019: Parlament wird am Prinzip des Spitzenkandidaten festhalten

https://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20180202IPR97026/europawahl-2019-parlament-wird-am-prinzip-des-spitzenkandidaten-festhalten



– Das bedeutet also, dass 2,5 der 4 EU-Hauptorgane von den Regierungen der Mitgliedstaaten abhängen.


Das halbe Organ ist die Kommission, da das einzig direkt gewählte Organ – das EU-Parlament – die Möglichkeit hat, die einzelnen Kommissare zu verhindern. Aber das passiert nur sehr selten und in den allermeisten Fällen werden die Kommissare, die die nationalen Regierungen vorschlagen, übernommen.



– Das Europäische Parlament hatte ursprünglich nur wenig Einfluss aber wurde in den letzten zwei Jahrzehnten immer mächtiger. Heute kann es zwar keine neuen Gesetzesentwürfe einbringen, muss ihnen aber zustimmen. Und diese Gesetze können verbindlich für alle EU-Staaten sein. Es stimmt außerdem darüber ab, wie das EU-Budget eingesetzt wird und über internationale Abkommen.


Als das Parlament 1952 gegründet wurde, war es lediglich ein machtloses Kontrollorgan innerhalb der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Seinen Namen bekam das Parlament erst mit den Römischen Verträgen von 1957. Doch erst mit den Verträgen von Maastricht 1992, von Amsterdam 1997 und von Nizza 2001 wurde das EU-Parlament zu einem Teil der Gesetzgebung.


#Geschichte eines einzigartigen Parlaments

https://www.europarl.europa.eu/germany/de/europa-und-europawahlen/geschichte_1


Seit dem Vertrag von Lissabon 2007 ist das Parlament in fast allen Politikbereichen beteiligt und entscheidet sogar über den EU-Haushalt. Zudem stimmt es über internationale Verträge ab, allerdings nur in den Politikbereichen, in denen die EU auch zuständig ist wie z.B. Handelspolitik.


#Europäisches Parlament: Übersicht

https://europa.eu/european-union/about-eu/institutions-bodies/european-parliament_de


Die heutigen Kompetenzen des Parlaments sind in Art. 13 bis 19 des Vertrages zur Europäischen Union geregelt.


#Vertrag über die Europäische Union (konsolidierte Fassung), 2012

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:12012M/TXT


– Im Vergleich zu nationalen Parlamenten fehlt allerdings noch eine Sache. Das EU-Parlament kann wie gesagt offiziell keine neuen Gesetzesvorschläge einbringen.


Hier machen wir einen kleinen Exkurs. Was unterscheidet das EU-Parlament von nationalen Parlamenten?


Das politische System der EU ist ein anderes als das seiner Mitgliedstaaten, weshalb man nicht die gleichen Maßstäbe anwenden sollte, um diese zu vergleichen. Man kann jedoch durchaus die jeweiligen Kompetenzen innerhalb der Systeme miteinander vergleichen, um festzustellen wodurch sich das EU-Parlament von nationalen unterscheidet. Außerdem haben nicht alle nationalen Parlamente in Europa gleiche Befugnisse. Gesetze vorschlagen können aber alle europäischen Parlamente.


Die einzige EU-Institution, die Gesetze vorschlagen kann, ist die EU-Kommission. Allerdings können EU-Parlament und EU-Rat die Kommission auffordern, Gesetze vorzuschlagen. (Das können im Übrigen die EU-Bürger auch, mittels einer Petition.) Wenn die Kommission dem Wunsch nicht nachkommt, muss sie dies begründen.


#Planung und Vorlage von Rechtsvorschriften

https://ec.europa.eu/info/law/law-making-process/planning-and-proposing-law_de


Allerdings hat das EU-Parlament nach wie vor kein offizielles Recht, Gesetze vorzuschlagen, was der EU immer wieder vorgeworfen wird.


#Europäisches Parlament: Übersicht

https://europa.eu/european-union/about-eu/institutions-bodies/european-parliament_de



– Im Moment wird die EU de facto von den Regierungen der Mitgliedstaaten kontrolliert.


Zum einen, weil der Rat der EU eine wichtigere Rolle spielt als das EU-Parlament. Im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren sind die beiden zwar gleich gestellt, aber beim sogenannten Anhörungsverfahren darf das Parlament nur beraten, nicht aber über die Gesetze abstimmen.


#Ordentliches Gesetzgebungsverfahren

https://www.europarl.europa.eu/germany/de/europa-und-europawahlen/ordentliches-gesetzgebungsverfahren


#Anhörungsverfahren

https://www.europarl.europa.eu/germany/de/europa-und-europawahlen/ordentliches-gesetzgebungsverfahren


Auch weil die Staats- und Regierungschefs den größten Einfluss auf die Zusammensetzung der Kommission haben, lässt sich behaupten, dass die Mitgliedstaaten mehr Einfluss haben.



– Insgesamt ist die EU nicht so demokratisch wie die meisten ihrer Mitgliedstaaten. Aber sie ist demokratisch.


Die Frage, ob die EU ein Demokratiedefizit hat ist in den Politikwissenschaften heftig umstritten. Einige Forscher bestreiten, dass es überhaupt ein Demokratiedefizit in der EU gibt. In ihren Augen entspricht die EU den demokratischen Standards durch ihre indirekten und direkten Beteiligungskanäle, durch Rechtsstaatlichkeit, durch Kontrollmechanismen und durch unabhängige Institutionen.


#Die EU wird traditionell unterschätzt, Interview mit Andrew Moravcsik, 2017

https://www.sueddeutsche.de/politik/andrew-moravcsik-die-eu-wird-traditionell-unterschaetzt-1.3439644


Wissenschaftler, die der EU ein Demokratiedefizit nachsagen, tun dies aus unterschiedlichen Gründen. Hauptargument ist, dass politische Entscheidungen nicht ausreichend durch Parlamente legitimiert sind. Einige verlangen mehr Mitspracherechte der nationalen Parlamente (also dass Entscheidungen der Staats- und Regierungschefs auch durch die nationalen Parlamente abgesegnet werden sollen), andere möchten das EU-Parlament stärken.


Wieder andere sehen das Problem der Demokratie in der EU weniger in den Institutionen als im öffentlichen Diskurs, der noch zu national ist und weniger ein europäischer. Vertreter dieser Denkrichtung fordern hauptsächlich, mehr europäische Medien zu etablieren, die zu einem europaweiten Diskurs beitragen können.


Das am häufigsten angeführte Argument im Bezug auf den Demokratiemangel in der EU ist jedoch, dass das von den Bürgern gewählte EU-Parlament keine Gesetzesentwürfe einbringen kann. Darum haben wir uns im Video besonders auf diesen Punkt konzentriert.


#Wikipedia-Artikel: Demokratiedefizit der Europäischen Union

https://de.wikipedia.org/wiki/Demokratiedefizit_der_Europ%C3%A4ischen_Union


Diese Seite gibt einen Überblick über Vorschläge, wie man die EU reformieren könnte:


#EU-Reform: Wo sollten unsere Prioritäten liegen?, 2017

https://www.foederalist.eu/2017/04/eu-reform-demokratie-prioritaeten.html



– Momentan haben die Mitgliedsländer größeren Einfluß in der EU als die unabhängigen EU–Einrichtungen.


Zum Beispiel bei der Besetzung der EU-Kommission, die fast ausschließlich von den Staatschefs vorgenommen wird. Ein anderes Problem ist, dass das EU-Parlament bei einigen Politikfeldern nicht mitbestimmen darf.


#Europäische Kommission

https://europa.eu/european-union/about-eu/institutions-bodies/european-commission_de