Prinzessinnen dürfen das

Gerade erst wiedergefunden. Wusste gar nicht mehr, dass ich das mal gemacht hatte.

Mal wieder eine kleine Geschichte, in der es bedauerlicherweise in keinem einzigen Satz um Sex und nur zum Ende hin kurz um Schwänze geht.


Das Telefonklingeln hallt durch den vollklimatisierten Thronsaal. Ein Bediensteter in seltsam buntem Livree hastet an der Wand entlang, die Glöckchen an den vier Zipfeln seiner Mütze, seinen Ärmeln und Hosenbeinen schellen bei jeder Bewegung. Sein ungelenker Lauf wird kurz aus zwei grüngrauen Augen verfolgt. Nach dem dritten Läuten erreicht er das rote Telefon, nimmt schnell ab und murmelt eine Frage. Er lauscht, dann nickt er mit gesenktem Kopf und dreht sich um.
"Euer Hoheit, der Henker ist eingetroffen und lässt fragen, ob es losgehen kann?"
Prinzessin Lea lümmelt etwas unprinzessinnenhaft quer auf dem Thron, ihre schwarzen, mit schweren Eisenbeschlägen bewehrten Skull-Crusher wippen an langen, schlanken Unterschenkeln im Takt zu einer kaum hörbaren Gröhlballade. Sie nickt im Rhythmus der Musik, die leise aus ihren Earplugs rauscht, swypt gelangweilt auf ihrem in schwarzes Leder gefassten Versace-Handy aus handgemahlenen I-Phones herum. "Langweilig ... langweilig ... langweilig ..."
Dann hebt sie wieder den Blick, sieht den Hofnarren demütig wartend stehen und zieht einen Hörstecker heraus: "Wassnlos?"
Der Hofnarr wiederholt seine Botschaft und macht mit nach hinten abgewinkeltem Bein einen ungeschickten Hofknicks. Lea nickt.
"Na endlich! Wieso hat das so verdammt lange gedauert? Muss man sich hier denn um alles alleine kümmern? Na DER kann was erleben ...", gummelt sie, während sie sich von ihrem Sitzmöbel erhebt und ihr Krönchen richtet. "Hofnarr, wie seh ich aus?"
Dieser setzt ein schüchternes Lächeln auf und antwortet: "Wie ein ... äh, flammender Racheengel über Bergen verrottender Kadaver - prinzessinnenhaft und wunderschön wie immer!"
Lea prustet eine Strähne ihres glänzenden Haares aus dem Gesicht, ginst kurz und zischt dem Narren aus dem Mundwinkel ein amüsiertes "Schleimer" zu, während sie an ihm vorbeirauscht, was auf Grund ihrer Beschuhung so klingt, als würde eine Trollarmee den Palast einebnen.
Der Hofnarr bemüht sich, gleichzeitig hinter ihr Schritt zu halten und vor ihr die Türen aufzureißen und offenzuhalten, während sie dem Schlosshof zustrebt.
"Heute mit der Kutsche, Euer Zerfahrenheit?", fragt er mit hoffnungsvollem Lächeln.
"Ja, heute die Kutsche", entscheidet Lea.
"Und du wirst fahren", fügt sie mit süffisantem Lächeln hinzu, als er erleichtert aufatmet. "Und wehe dir, du fährst wieder so ruckelig, dass mir schlecht wird. Daaaann ..." Dabei tappt sie hörbar mit der Schuhspitze in schneller Bewegung ein paarmal auf das hallende Pflaster.
Der Narr erbleicht, fasst unbewusst an seinen Kopf, dann fasst er sich. "Wie Euer Empfindlichkeit belieben", murmelt er mit hängenden Schultern fast tonlos. Leas Augen blitzen gefährlich. "WAAAS?!?"
"Es ist mir eine ganz besondere Ehre, Euch jeden Wunsch von den Lippen zu lesen", beeilt der Narr sich lauter mit etwas verkrampft wirkendem Lächeln zu versichern und reißt geflissentlich den Wagenschlag auf.
"Wenn Euer Wohlgesonnenheit die Güte hätten ..." Mit geneigtem Haupt weist er in die Kutsche.
Lea steht mit geschlossenen Augen einen Moment still, dann tänzelt sie im Takt der Musik auf die Kutsche zu. "Off With Their Mis'rable Heeeaaads", gurgelt sie die erste Zeile des Refrains im Versuch mit, das Bassgrunzen des Lead-Barden Igor Strangulinsky der angesagten Minnesänger-Posse "Malice In Terrorland" nachzuahmen und steigt mit ein paar leichten Hüftschwüngen und Im-Takt-mit-der-Stirn-gegen-eine-Wand-schlagen in die Kutsche.
Vorsichtig nimmt der Narr auf dem Kutschbock Platz, während der rückwärtige Teil der Kutsche im Rhythmus der wild treibenden Anfangstakte der Kantate "Let 'em Bleed" zu wippen beginnt. So sacht er kann, tippt der Narr dem linken Pferd mit der Reitgerte aufs Hinterteil, das wie von der Tarantel gestochen wiehernd auf die Hinterbeine geht und eine Kaskade nach vorne und zur Seite verursacht, worauf sich die Kutsche mit einem heftigen Ruck in Bewegung setzt und in einer Staubwolke durchs Tor verschwindet.
Ein paar endlos scheinende Todesängste später kommt das Gefährt abrupt zum Stehen. Die schwarzen Rappen stehen schweißnass glänzend mit gesenkten Köpfen da, als könnten sie kein Wässerchen trüben. Der Narr löst keuchend seine verkrampften Finger von den Dachstreben der Kutsche und versichert sich mit prüfenden Griffen davon, dass er noch in einem Stück ist, bevor er zur Handbremse greift. Der Versuch diese zu ziehen, lenkt seinen Blick auf die gelblich qualmenden Bremsbacken, die einen martialischen Gestank nach verglühtem Metall absondern. Kopfschüttelnd klettert er vom Bock, vorsichtig um Abstand zu den Rössern bemüht. Den Schlag öffnend, neigt er den Kopf.
Prinzessin Lea liegt zerzaust in den Polstern. "Nochmal, nochmal", stöhnt sie verklärt, schüttelt dann erwachend kurz den Kopf und setzt sich aufrecht. "Sind wir schon da?"
"Wir sind angelangt, Euer Aufgewühltheit!"
Ein Krönchenrichten später steigt die Prinzessin sittsam an der Hand ihres Narren aus der Kutsche, richtet sich stolz zu ganzer Größe auf und blickt über die geneigten Häupter ihrer versammelten Untertanen zu dem schroff hinter ihr aufragendem Holzgestell mit dem Richtbock, auf dem der Scharfrichter mit monotonen Bewegungen des Wetzsteins die Schneide seiner überdimensionalen, halbmondförmigen Richtaxt schärft.
"Meine Untertanen", lässt sie ihre klare Stimme durch den trichterförmigen Talkessel erklingen. "Ich habe euch heute hier versammelt, weil es genug ist. So wie derzeit geht es einfach nicht weiter!"
Dann liest sie einige der Nachrichten vor, die sie in den letzten Tagen auf ihrem Prinzessinnen-privat-Channel erhalten hat. Keine davon geeignet, laut zitiert zu werden. Zu jeder Nachricht flammt ein blaues Leuchten über dem Kopf eines der Versammelten auf, der daraufhin verschwindet, um sich gleich darauf auf dem Gerüst neben dem Henker wiederzufinden. Der Henker, ein Kerl wie ein Grizzly, packt jeden mit stoischer Miene mit seinen Pranken, als wären die Verurteilten Holzspielzeug, legt den Delinquenten auf den Richtbock und lässt aus dem Handgelenk die zentnerschwere Axt wirbeln, dass es nur so heult, und enthauptet die Schwerenöter einen nach dem anderen, wobei jeder zu einem hellblau leuchtenden Funkenhaufen zerfällt, den eine sanfte Brise in der Luft verteilt.
Nach ungefähr fünfzig Hinrichtungen hebt die Prinzessin die Hand. "So", verkündet sie und weist zum Henker, "habe ich es bisher gehalten. Seit wie lange schon, Hanky?"
Mit steinerner Miene antwortet der Angesprochene in einem Ton, der nach Troll im Stimmbruch klingt: "Seit zweiunddreißig Wochen, Euer Rechtschaffenheit ..." Ein Wink der Prinzessin bringt ihn zum Verstummen.
"Hat es irgendetwas gebracht?", blickt sie aufgebracht in die Menge. Anklagend hebt sie dabei weitere Nachrichten bedenklichen Inhalts sowie einen dicken Stapel ausgedruckter Schwanzbilder in die Höhe. Die ersten Anwesenden beginnen zurückzuweichen, als sie auf sie zutritt. "Ich habe es jetzt lange genug auf die freundliche Art versucht. Ich denke aber, das bringt nichts. Es wird also Zeit, andere Saiten aufzuziehen. Schluss mit lustig!"
Sie schnippt und plötzlich steht neben ihr eine lodernde Feuerschale, in die sie die Papiere nacheinander sinken lässt. Bei jedem Papier gibt es seinen Schrei und irgendwo stäubt ein blauer Funkennebel gen Himmel, der Platz wird fast immer schnell wieder von einem gesichtslosen Imago ausgefüllt, das jaulend in einer weiteren Wolke verpufft, bis kein weiteres mehr von ihnen zu sehen ist.
"Hey, das geht so aber nicht, das ist gegen die Regeln!", empört sich ein Untertan lautstark und blickt beifallheischend um sich. Bis auf sieben Imagos, die in gleicher Pose rund um ihn verteilt stehen und ihm verblüffenderweise alle zu ähneln scheinen, entfernen sich die restlichen Umstehenden mit gerunzelter Stirn.
"So-so, Herr Lebermann, ich soll also dein hässliches, schrumpliges Schwänzchen bewerten?", fragt die Prinzessin drohend und hält dabei ein Bild hoch, das eher Mitleid und Belustigung erregt als anderes.
Plötzlich scheint die Prinzessin größer zu werden, bis sie alle Anwesenden um das Doppelte überragt. Sie beugt sich nach vorn und fordert drohend: "Dann lass mal dein erbärmliches Würstchen sehen, du nichtsnutziger Wurm!"
Der Angesprochene dreht sich um, rüttelt an drei nacheinander wie aus dem Nichts erscheinenden Türen, von denen ihm jedoch keinen Durchlass gewährt. "Das geht nicht? Wieso geht das nicht?", keucht er dabei panisch. "Das muss doch ...!"
Plötzlich kreischt er verzweifelt, als er sich kniend auf dem Holzgerüst wiederfindet, ohne Kleidung, die Hände auf dem Rücken verschränkt, sein bestes Stück sorgsam auf den Richtbock drapiert, er unfähig, sich zu bewegen und hinter sich das Sirren des die Luft zerteilenden Beils. Er kneift die Augen zusammen, holt tief Luft und jault mit sich überschlagender Stimme los: "Ich weiß nicht, wie du das hingekriegt hast, aber nochmal schaffst du das nicht. Und ich werde wiederkommen und dir das Leben zur Hölle machen!" Plötzlich steht die Prinzessin neben ihm auf der Bühne. "Ich weiß", sagt sie niedergeschlagen. Doch dann blitzen ihre Augen auf. "Aber weißt du was? Ladies first!"
Schneller als es das Auge verfolgen kann, hat sie plötzlich ihre beiden schweren, stahlbeschlagenen Schuhe in den Händen. "Das könnte jetzt ein bisschen weh tun." Dann hebt sie grinsend beide Schuhe über den Kopf. "Allerdings nicht mir", zwinkert sie Lebermann schalkhaft mit einem Auge zu und beginnt, mit den Absätzen beider Schuhe das sogenannte beste Stück des so genannten Mannes in wahrhaft fulminanter Weise zu bearbeiten. Ein Wimmern und Jaulen setzt ein, das um so schlimmer wird, je mehr Anwesende zu lachen beginnen. Seine Imagos krümmen sich mit vorgebeugtem Unterleib gleich ihm, sie scheinen alle dasselbe zu erdulden.
Die Prinzessin grinst den Jammerlappen an, ohne ihr Tun zu unterbrechen. "Ist das für dich eigentlich genauso schön wie für mich? Weißt du, ich hab immer darauf vertraut, dass in jedem Menschen etwas Gutes steckt und man es nur wecken muss. Aber das ist falsch. Man muss zuerst das Böse aus ihm herausprügeln, damit das Gute überhaupt eine Chance hat, wach werden zu können. Ich verlass mich nicht mehr darauf, wenn jemand verspricht, mich in Ruhe zu lassen. Ich versprech ihm viel mehr, dass er nie wieder Ruhe haben wird, wenn ich ihn nochmal begegne. Sei mal ehrlich: Das klingt doch gleich viel besser, oder?"
Der Wimmerling reagiert nicht, nur sein Körper verändert allmählich seine Farbe von Blau zu Purpur zu Blutrot, strahlt immer weniger und löst sich schließlich unter ein paar letzten Schlägen zu einigen blassen Funken auf, die schnell zu Boden sinken.
Strahlend richtet sich die Prinzessin auf, prustet sich eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht, grinst und fragt in die Runde: "Will hier noch wer seinen Schwanz bewerten lassen?"
Sekunden später pfeift der Wind durch den verlassenen Talkessel. Hanky schärft stoisch seine Axt. "Coole Aktion, Prinzessin! Falls du je über einen beruflichen Wechsel nachdenken solltest ..."
Lea klopft ihm kameradschaftlich auf die Schulter. "Lassma. Jeder macht das, was am besten zu ihm passt. Und ich wollte schon von klein auf Prinzessin werden."
Dann lässt sie grinsend schweren Lederboots auf den Boden krachen, hebt das Kleid sittsam bis zur Wade und steigt gekonnt hinein. "Ich LIEBE diese Dinger einfach!" Suchend dreht sie sich um. "Wo bleibt eigentlich meine verdammte Kutsche?"
Veröffentlicht von Drance1964
vor 7 Monaten
Kommentare
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Drance1964
an woody-woody77 : Ja, das waren noch Zeiten, da hat sie noch regiert. Aber wie sang schon Herr Robert Zimmerman? "The times they are a--changing"
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🤣🤣🤣 ... ihre hoheit prinzessin lea in bestform. wie gehts weiter?
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