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Annäherung zwischen Türkei und Armenien Fußballdiplomatie soll Geschichte schreiben

Im Spiel gegen die armenische Fußball- Nationalmannschaft hat die Türkei einen 2:0-Sieg verbucht. Doch zum eigentlichen Sieger des Spiels wurde der Versöhnungskurs erklärt, den die beiden Staatspräsidenten Abdullah Gül und sein armenischer Amtskollege Sersch Sargsjan am Mittwochabend bekräftigt haben.

Im Spiel gegen die armenische Fußball- Nationalmannschaft hat die Türkei einen 2:0-Sieg verbucht. Doch zum eigentlichen Sieger des Spiels wurde der Versöhnungskurs erklärt, den die beiden Staatspräsidenten Abdullah Gül und sein armenischer Amtskollege Sersch Sargsjan am Mittwochabend bekräftigt haben. Vier Tage nach der Unterzeichnung von Protokollen über die geplante Aufnahme diplomatischer Beziehungen haben die beiden Staaten ihre Fußballdiplomatie fortgesetzt. «Wir schreiben nicht Geschichte, wir machen Geschichte», soll Gül bei einem gemeinsamem Abendessen mit Sargsjan erklärt haben. Politische Besuche in den lange verfeindeten Nachbarstaaten waren bis vor etwa einem Jahr ein so heißes Eisen, dass Gül im September 2008 zunächst nur als Zuschauer eines WM-Qualifikationsspiels nach Eriwan reisen konnte. Seitdem sind die Verhandlungen vorangekommen, wenn auch gegen den Widerstand von türkischen Nationalisten und der starken armenischen Diaspora. Beide Seiten unterzeichneten am Wochenende in Zürich zwei Protokolle, die auch eine Öffnung der seit 1993 geschlossenen Grenze vorsehen. Eine Historikerkommission soll sich mit dem Streit um die Anerkennung der Massaker an Armeniern 1915 im Osmanischen Reich als Völkermord befassen. Der Bochumer Historiker Mihran Dabag bezweifelt allerdings, dass die Türkei jemals bereit sein wird, den ihr vorgeworfenen Genozid zuzugeben. Die weltweit positiven Reaktionen auf die Historikerkommission beurteilt er kritisch. Die Staaten seien erleichtert, weil sie eine Sorge los seien.

Dabei strebe die Türkei lediglich die Relativierung der Geschehnisse an, sagte der armenischstämmige Direktor des Instituts für Diaspora- und Genozidforschung im «Deutschlandradio Kultur». «Ich bin der Meinung, dass die Erforschung eines Genozids zunächst die Anerkennung dieser Tat voraussetzt. Ansonsten bleibt die Diskussion in der Frage: Völkermord ja oder nein? stecken», sagte Dabag. Die armenische Staatsführung hofft aber, dass die Zustimmung zu dem umstrittenen politischen Annäherungsprozess mit der Zeit wächst, wie Präsident Sargsjan türkischen Berichten zufolge bei dem Abendessen erklärt hat. Der armenische Außenminister Edward Nalbandjan äußerte sich trotz der Niederlage seiner Mannschaft zufrieden: «Es war ein schönes Spiel. Unsere Mannschaft hat alles gegeben.» Vor allem sei das Treffen (der Präsidenten) für die weitere Entwicklung der Beziehungen wichtig gewesen. Nalbandjan hob ausdrücklich hervor, die Ehefrau des türkischen Präsidenten habe selbst Gerichte zubereitet für das gemeinsame Abendessen. «Mit dieser Geste wollte Herr Gül dem Empfang des armenischen Präsidenten eine besondere Wärme verleihen.»

Dagegen schwiegen Staatsmedien in Eriwan einmal mehr darüber, wie stark in der armenischen Bevölkerung die Ablehnung des Kurses der Präsidenten ist. Das armenische Parlament will in der kommenden Woche über die Ratifizierung der am Samstag in der Schweiz unterzeichneten Protokolle debattierten. Aus Protest gegen die Initiative beider Länder war zuletzt die nationalistische Partei Daschnakzutjun aus der Regierungskoalition ausgetreten und zur Opposition übergewechselt, die eine Annäherung zur Türkei zu diesem Zeitpunkt ablehnt. Nach Einschätzung der armenischen Politologin Schuschan Chatlamadschjan wird es selbst bei einer Ratifizierung der Protokolle lange dauern, bis sich das Verhältnis zum Guten wende. «Die Führungen beider Länder bewegen sich auf einer Welle, die von den USA zur Verbesserung der Zusammenarbeit in der Region ausgelöst wurde. Aber es fehlt an ausreichendem Rückhalt in der Bevölkerung», sagte Chatlamadschjan von Institut für Bürgergesellschaft und Regionale Entwicklung in Eriwan. Die meisten Armenier könnten die Annäherung nicht losgelöst von der Völkermordfrage sehen, sagte die Expertin der russischen Zeitung «Wremja Nowostej».

DPA DPA

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