Chilly Gonzales bricht in Hamburg mit allen Konventionen – furioses Show-Finale
So was erlebt man selten in der altehrwürdigen Laeiszhalle: Chilly Gonzales bricht mit allen Konventionen – und legt sich mit großen Namen an.
- Deutsch (Deutschland)
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So was erlebt man selten in der altehrwürdigen Laeiszhalle: Chilly Gonzales bricht mit allen Konventionen – und legt sich mit großen Namen an.
Chilly Gonzales muss kurz nach dem passenden deutschen Wort suchen, wenn er über seine neuen Stücke spricht. Dann fällt es ihm ein: „Ofenfrisch“ seien die Songs, die er mit seiner vierköpfigen Band präsentieren werde. „Vielleicht gibt es Fehler, aber das ist normal für eine Weltpremiere“, betreibt der gebürtige Kanadier, der seit einiger Zeit in Köln lebt, Erwartungsmanagement. Und startet dann einen wilden Ritt durch Klassik, Jazz, Rap und was einem sonst noch an musikalischen Genres einfällt.
Chilly Gonzales in Hamburg: Ein wilder Ritt durch Klassik, Jazz, Rap
Lässig und scheinbar mühelos schüttelt er zwei Tage vor seinem 52. Geburtstag die verschiedenen Richtungen aus dem Ärmel seines seidenen Morgenmantels, die Übergänge sind teils so nahtlos, dass dem Publikum kaum Zeit zum Klatschen bleibt. Mal hämmern seine Finger aufs Klavier, mal gleiten sie sanft über die Tasten. Stören lässt sich Gonzales nur von einem kleinen Hustenanfall und einem leicht verpatzten Einsatz seines Geigers. „Authentisch“ sei das, geht er charmant darüber hinweg.
Pianist und Entertainer: So wickelt Chilly Gonzales die Zuhörer um den Finger
Gonzales ist ausgebildeter Jazz-Pianist, vor allem aber ein großartiger Entertainer. Einer, der die Zuhörer um den Finger wickelt, aber auch was zu sagen hat. Am Johannes-Brahms-Platz erzählt er von seiner Initiative, in seiner Wahlheimat Köln die Richard-Wagner-Straße in Tina-Turner-Straße umbenennen zu lassen, nennt Kanye West den „Wagner von heute“ und denkt laut darüber nach, wie man große Kunst und einen verabscheuungswürdigen Künstler zusammenbringen kann. An der Pauke performt er dann „Fuck Wagner“, seine Abrechnung mit dem antisemitischen Komponisten.
„Fuck“: Chilly Gonzales rechnet mit Richard Wagner ab – Crowdsurfing in der Laeiszhalle
Auch sonst hat Chilly Gonzales keine Angst vor großen Namen. Apple hat ihn groß gemacht, als der Konzern seinen Titel „Never Stop“ für die erste iPad-Werbung verwendete. Er habe das Stück danach lange nicht mehr gespielt, meint Gonzales: „Aber 15 Jahre später gehört es wieder mir.“ Der Song „Neoclassical Massacre“ ist derweil eine Kritik an Spotify, das Künstler in ihrer Kreativität einschränkt.
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„Lasst uns einander heute nicht enttäuschen“, hatte der Pianist die Zuhörer am Anfang des Konzerts gebeten. Seinen Teil der Abmachung hat er definitiv eingehalten. Und auch das Publikum hat sich nicht so schlecht geschlagen – am Ende lässt sich Gonzales auf Händen durch den Saal tragen. Crowdsurfing in der altehrwürdigen Laeiszhalle, das gibt es auch nur ganz selten.