Gefahr Elterntaxis: Metropole greift durch – in Hamburg ist das Problem riesig
Beinahe einstudiert wirken die Szenen, die sich allmorgendlich vor Hamburgs Schulen abspielen. Fahrzeug an Fahrzeug schiebt sich die Straße entlang, Kinder steigen aus und wuseln zwischen Autos und Abgasen hindurch Richtung Klassenzimmer. Elterntaxi wird der Fahrservice wohlmeinender Mütter und Väter genannt, die ihren Nachwuchs direkt vor dem Schulgebäude absetzen. Doch Schulen ächzen schon seit Langem unter der schieren Masse der Autos, die kurz vor Unterrichtsbeginn ihre Zufahrten verstopfen. Erste Städte setzen sich gegen die Praxis zur Wehr und verbieten Autofahrern die direkte Zufahrt ans Schultor. Auch in Hamburg gibt es jetzt Forderungen nach härteren Maßnahmen.
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Beinahe einstudiert wirken die Szenen, die sich allmorgendlich vor Hamburgs Schulen abspielen. Fahrzeug an Fahrzeug schiebt sich die Straße entlang, Kinder steigen aus und wuseln zwischen Autos und Abgasen hindurch Richtung Klassenzimmer. Elterntaxi wird der Fahrservice wohlmeinender Mütter und Väter genannt, die ihren Nachwuchs direkt vor dem Schulgebäude absetzen. Doch Schulen ächzen schon seit Langem unter der schieren Masse der Autos, die kurz vor Unterrichtsbeginn ihre Zufahrten verstopfen. Erste Städte setzen sich gegen die Praxis zur Wehr und verbieten Autofahrern die direkte Zufahrt ans Schultor. Auch in Hamburg gibt es jetzt Forderungen nach härteren Maßnahmen.
Ein erstes Gefühl für das Ausmaß der Elterntaxi-Problematik vermittelt folgende Beispielrechnung: Bis zu einem Drittel aller Grundschüler – so schätzt die Schulbehörde – werden in Hamburg mit dem Auto zum Unterricht gefahren. Bei durchschnittlich 340 Kindern pro Grundschule macht das mehr als 110 Elterntaxis, die morgens zur selben Zeit dasselbe Ziel ansteuern. Vor den Schuleingängen, oft an ruhigen Wohnstraßen gelegen, bedeutet diese Zahl meist eines: Chaos. Kolonnen bilden sich, der Verkehr gerät ins Stocken.
Elterntaxis: Städte setzen sich gegen gefährliche Praxis zur Wehr
Bei Behinderungen bleibt es nicht. „Die Polizei weist wiederkehrend darauf hin, dass der Bring- und Abholverkehr deutliche Gefahren für die zu Fuß ankommenden Kinder mit sich bringt“, sagt ein Sprecher der MOPO. Dazu zählten das Rangieren, zu schnelles Fahren oder Sichtbehinderungen durch falschparkende Fahrzeuge.
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So kommt ein Teufelskreis in Gang: Ein als gefährlich empfundener Straßenverkehr ist ein wichtiger Grund für Eltern, ihr Kind mit dem Auto zur Schule zu bringen. Tun sie das, leidet die Sicherheit der anderen Schüler. So werden deren Eltern veranlasst, das eigene Kind ebenfalls zu chauffieren.
Bei einer Befragung unter 153 Kitas und Schulen im Nordwesten Hamburgs und angrenzenden schleswig-holsteinischen Kommunen berichtete fast die Hälfte der Einrichtungen von regelmäßigen Gefährdungen der Kinder durch Elterntaxis. Auch die Polizei stellt fest: „Ein verringerter Autoverkehr rund um die Schule erhöht signifikant die Sicherheit der Kinder.“
Köln sperrte die Zufahrten zu mehreren Grundschulen
Dabei gibt es bereits Initiativen wie die Aktionstage „Zu Fuß zur Schule“, die Kinder jeweils kurz nach Beginn des neuen Schuljahrs dazu ermutigen sollen, den Weg selbstständig zurückzulegen. Eine nachhaltige Wirkung entfalteten die Initiativen bisher nicht, ebenso wenig wie Appelle an Eltern.
Erste Städte haben daraus Konsequenzen gezogen. So startete Köln im Sommer 2023 ein Pilotprojekt: An vier Grundschulen richtete die Stadt sogenannte Schulstraßen ein, die morgens und nachmittags für Autos gesperrt sind. Anwohner dürfen noch hinaus-, aber nicht mehr hineinfahren. Bonn und Essen testen die Regelung ebenfalls.
„Unsere Fraktion würde es begrüßen, wenn auch Hamburg das Schulstraßen-Konzept erprobte“, sagt die bildungspolitische Sprecherin Birgit Stöver (CDU). Ergänzend zu Sperrungen brauche es jedoch „Elternhaltestellen“, also Punkte im Umkreis, an denen Kinder sicher abgesetzt werden können.
Städtetags-Präsident: Individuelle Lösungen müssen her
Auch der Präsident des Deutschen Städtetags fordert mehr Handlungsspielraum: „Wie vor Ort das Verkehrsgeschehen entspannter geregelt werden kann, wissen wir Kommunen am besten, weil wir die Situation kennen“, sagte Markus Lewe (CDU) den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Dafür gibt es keine Blaupause, sondern es müssen individuelle Lösungen her.“ Anders als etwa in Österreich, ist die Schulstraße in Deutschland bisher nicht Teil der StVO. Und die kann nur auf Bundesebene geändert werden.
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Ungeachtet dessen fasste das Verkehrsministerium in NRW in einem Erlass zusammen, welche Möglichkeiten Kommunen schon jetzt haben, Schulstraßen im Einklang mit der bestehenden Rechtslage einzurichten. Ob es auch in Hamburg derartige Pläne gibt, ist unklar. Die Schulbehörde blieb der MOPO eine Antwort schuldig.