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Gesellschaft

Alles für die Transparenz

Automatisierung, Chatbots oder Telematiktarife: Versicherungen setzen auf die Digitalisierung. Im Umgang mit den Daten wollen sie das Vertrauen der Versicherten nicht enttäuschen und zugleich gestiegene Erwartungen erfüllen. Beim zunehmenden Einsatz von KI könnte das schwierig werden.

Von Michael Hasenpusch

Illustration von einem Smartphone, wo ein Medizinischer Aktenordner drauf zu sehen ist. Drum herum sind Bilderrahmen mit Ärzten zu sehen

Zu den Branchen, die von den Möglichkeiten der Digitalisierung und insbesondere vom Einsatz von Künstlicher Intelligenz oder Machine Learning profitieren, gehört eindeutig die Versicherungswirtschaft. Viele darauf basierende Anwendungsmöglichkeiten sind bereits gelebte Praxis. Dazu zählt beispielsweise die Prozessautomation, die bei der Erstellung von Angeboten, der Schadenregulierung oder der Risikoanalyse zum Einsatz kommt. Smarte Chatbots übernehmen in gewissem Umfang den Kundenkontakt. Und maschinelle Analytik unterstützt bei der Fraud Detection, indem die Rechner verdächtige Muster aufspüren und Sachbearbeiter darauf hinweisen.

Die Telematiktarife in der Kfz-Versicherung gehen über solche Anwendungen noch einmal deutlich hinaus, und die ihnen zugrunde liegende Idee könnte das Verhältnis zwischen Versicherungen und ihrer Kundschaft erheblich verändern. Denn beim „Pay-how-you-drive“ machen die Versicherten ihre individuellen Daten verfügbar – in Echtzeit – und erlauben den Versicherungen, die Tarife auf dieser Basis zu individualisieren. Ein im Auto installierter Sensor oder auch eine Smartphone-App protokollieren kontinuierlich Fahrdaten wie Geschwindigkeit, Beschleunigungs- oder Bremsvorgänge und geben Auskunft über das Fahrverhalten der Versicherten. Wer rücksichtsvoll fährt, wird mit einer reduzierten Versicherungsprämie belohnt.

Was bedeutet die Individualisierung für Krankenversicherungen?

Was die Kfz-Versicherung bereits vormacht, lässt sich – zumindest als Idee – auf andere Sparten übertragen, beispielsweise auf die Krankenversicherung. Orte, an denen heute Gesundheitsdaten generiert oder gespeichert werden, gibt es genug. Fitness-Armbänder messen Bewegungsdaten, Smartwatches protokollieren Puls, Blutdruck oder Herzrhythmusstörungen, und selbst die Blutzuckererkennung wird höchstwahrscheinlich so bald möglich sein.

Auch die Digitalisierung des Gesundheitssystems schreitet – wenn auch langsam – voran. Seit 2021 gibt es beispielsweise die vom Bundesgesundheitsministerium eingeführte elektronische Patientenakte , die spätestens Ende 2024 zu einem zentralen Speicherplatz für Gesundheitsdaten werden soll – so der Plan des Ministeriums. Die Versicherten halten sich jedoch zurück, erst ein Prozent nutzt das System. Auch unter Experten ist die EPA umstritten – zu kompliziert in der Nutzung, zu undurchdacht der Datenschutz. Dennoch wird sie früher oder später im Alltag ankommen, und die Versicherten können immerhin selbst bestimmten, wer auf welche Daten Zugriff hat. Digitalaffine Krankenversicherte könnten sich – theoretisch – analog zu den Telematiktarifen in der Kfz-Versicherung entscheiden, den Versicherungen ihre Daten verfügbar zu machen und sich dafür mit niedrigeren Tarifen belohnen lassen.

Sind dies erste Anzeichen dafür, dass sich Versicherungen, die immer auf kollektiven Daten beruhen und berechnet werden, zu individuellen Policen entwickeln? Und falls ja, würde ein solcher Trend einen Paradigmenwechsel für das (Vertrauens-)Verhältnis zwischen Versicherungen und Versicherten bedeuten?

Dr. Daniel John, Abteilungsleiter des Aktuariat Komposit bei der HUK-COBURG, hält wenig von der Idee , dass KI und Machine Learning dazu beitragen werden, Versicherungskollektive aufzulösen: „Versicherung ist genau der Ausgleich zwischen denjenigen im Kollektiv, die einen Schaden haben und denjenigen, die keinen Schaden haben. Eine Versicherung wird nie auch nur annähernd mit der Sicherheit vorhersagen können, wer einen Schaden hat, und das wäre erforderlich, damit sich Versicherungskollektive und damit dann auch Versicherungen auflösen.“

Die Stärke von KI liegt im Aufbau besserer Tarifmodelle

Für John liegt die Stärke von KI und Machine Learning eher darin, bessere Tarifmodelle zu bauen, die eine passgenauere und weniger fehlerbehaftete Einschätzung erlauben. Das über Telematikdaten in Verbindung mit Machine Learning gewonnene Wissen führt aus seiner Sicht zu einem wesentlich gerechteren System, das die Versicherten mit ihrem Verhalten beeinflussen können

»Eine Versicherung wird nie auch nur annähernd mit der Sicherheit vorhersagen können, wer einen Schaden hat, und das wäre erforderlich, damit sich Versicherungskollektive und damit dann auch Versicherungen auflösen.«

Dr. Daniel John, Abteilungsleiter des Aktuariat Komposit bei der HUK-COBURG

Auch für Wolfgang Hauner, Head of Group Data Analytics bei der Allianz, steht die größere Gerechtigkeit an erster Stelle, wenn es um die Chancen von KI und Machine Learning geht: „Ein gutes Beispiel aus dem Bereich Krankenversicherung ist die Diagnose Diabetes. Früher hätte jemand, der darunter leidet, aufgrund der angenommenen hohen Behandlungskosten grundsätzlich einen sehr teuren Tarif in der Privatversicherung bekommen – oder vielleicht auch gar keinen. Dank heute möglicher Datenanalysen wissen wir jetzt, dass bestimmte Typen von Diabetes sich gut und weniger teuer in den Griff bekommen lassen. Das Risiko für diese Fälle liegt deutlich niedriger als angenommen und ermöglicht für mehr Betroffene bezahlbare Beiträge“.

Ethische Vorbehalte setzen der Nutzung von Gesundheitsdaten Grenzen

Die Daten, auf denen solche Analysen beruhen, speisen sich aus verschiedenen Quellen: Es sind neben unternehmenseigenen auch öffentliche aus medizinischen Studien. Fälle, in denen personenbezogene Gesundheitsdaten auf eine mit den Telematiktarifen vergleichbare Weise gewonnen würden, seien ihm nicht bekannt, ergänzt Hauner. „Aus solchen Ansätzen, die vor einigen Jahren noch in der Branche diskutiert wurden, sind meines Wissens nach Loyality-ähnliche Programme geworden. Wer seine Trackingdaten aus der Smartwatch zur Verfügung stellte, bekam kleine Incentives, um positive Anreize für ein gesünderes Leben zu bieten. Eine den Telematiktarifen vergleichbare Nutzung würde in einigen Ländern auch eine ethische Linie überschreiten.“

Einen Trend weg von der kollektiven hin zur individuellen Versicherung kann auch sein Kollege Dr. Philipp Räther, Group Chief Data Protection Officer der Allianz, nicht erkennen. „Versicherungen basieren immer auf den zwei Aspekten individuelles Risiko und kollektiver Ausgleich des Schadens. Vielleicht lässt sich das technische Risiko durch Datenanalysen und den Einsatz von KI in der Zukunft immer präziser kalkulieren, aber diese Verfahren werden keine hundertprozentige Entscheidungssicherheit bieten. In jedem Fall werden sie aber dazu führen, dass sich die Preise fairer gestalten lassen, wenn die Risiken auf feinere Untergruppen zurückgeführt werden können“.

Ohne Vertrauen funktioniert das Versicherungsgeschäft nicht

Klar sei jedoch, dass der Umgang mit den Daten heute eine neue Qualität erreicht habe. Die verfügbare Menge sei stark gewachsen und die Instrumente zur Auswertung viel besser geworden. Zugleich seien aber auch die Anforderungen an die Transparenz und die Wahlmöglichkeiten der Kunden gestiegen, wofür die Daten verwendet werden dürfen. Muss das Verhältnis zwischen Versicherungen und Versicherten neu bewertet werden? „Vertrauen ist für Versicherungen das höchste Gut. Ohne Vertrauen funktioniert unser Geschäft nicht“, sagt Wolfgang Hauner. „Deshalb werden wir dieses Vertrauen nicht aufs Spiel setzen, sondern die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, um es zu stärken, indem wir umso transparenter im Umgang mit den Daten unserer Kunden sind.“

 

»Ohne Vertrauen funktioniert unser Geschäft nicht. Deshalb werden wir zum einen dieses Vertrauen nicht aufs Spiel setzen und zum anderen die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, um es zu stärken, indem wir umso transparenter im Umgang mit den Daten unserer Kunden sind.«

Wolfgang Hauner Head of Group Data Analytics bei der Allianz

Diese Forderung bekräftigt auch Gustav Spät , Referent Digital Insurance & InsurTech beim Digitalverband Bitkom und fügt hinzu: „Transparenz wird mit dem zunehmenden Einsatz von KI, der bei Versicherungen zu beobachten ist, noch wichtiger werden. Denn hier geht es nicht nur Daten selbst, sondern auch darum, dass die KI sie ethisch und gesetzeskonform verarbeitet“. Dieses Ziel verfolgt der AI Act der EU, dessen Verabschiedung jedoch auf sich warten lässt. Das Gesetzeswerk wird für Versicherungen erhebliche Bedeutung haben, da zumindest die KI-Anwendungen für die Risikobewertung und Tarifierung in der Lebens- und Krankenversicherung zu den sogenannten Hochrisikosystemen zählen.

Mit dieser Klassifizierung verbunden sind nicht nur bürokratische Vorschriften, sondern auch die Forderung, dass die Arbeit der KI von Menschen beaufsichtigt werden kann und ihre Ergebnisse korrekt interpretierbar sind. Da das Vorgehen der KI, insbesondere beim Maschinellen Lernen als nur schwer nachvollziehbar gilt, könnte dies in Zukunft eine der großen Herausforderungen darstellen, wenn Versicherungen die viel beschworene Transparenz auch tatsächlich liefern wollen.